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So der Titel eines kurzen und lesenswerten Interviews (Achtung: Link geht zur Welt).

Lesenswert ist dieses Interview nicht darob der dort praesentierten Information. Das sind alles „alte Huete“.

Es ist lesenswert, weil es einfach ein „geiles Interview“ ist (zumindest meiner ersten (und zweiten, und dritten) Reaktion nach).

Der Interviewte (der von mir so sehr geschaetzte Dietmar Dath) durchschaut die lenkenden Fragen sofort und antwortet adaequat. Er weisz, dass die Agenda dieser Zeitung beinhaltet, alles Linke (und damit auch ihn als Person) als schlecht und Spinnerei hinzustellen. Dietmar schafft es, dass diese Agenda ausnahmsweise einmal nicht zum Ziel fuehrt.

Somit ist es ein ganz hervorragendes Lehrstueck in Medienkompetenz.

Zwei Beispiele:

WELT ONLINE: Ihr Interesse ist – salopp formuliert – breit gefächert und allemal bizarr für Außenstehende. Sie interessieren sich für Heavy Metal, Linksradikalismus, Zombie- und Pornofilme, Naturwissenschaften, Science-Fiction und Drogen. Sind Sie noch in der Pubertät verstrickt und empfinden die ewige Adoleszenz als angemessene Form des Widerstandes?

Dath: In der Pubertät „interessiert“ man sich nicht für die in diesen Themen angelegten extremen Erfahrungen, man macht sie einfach. Die Freuden des Erwachsenen aber sind solche des Verstehens, Neukombinierens, Überwindens. Denen gebe ich mich gerne hin.

Oder auch:

WELT ONLINE: Wählen Sie die Linkspartei? Stört Sie die Vergangenheit dieser Partei als eine Partei des Schussbefehls an der Mauer, der politischen Gefangenen und der Reiseunfreiheit?

Dath: Ich wähle alles Mögliche, je nachdem ob kommunal oder für Europa, nur niemals und um keinen Preis die Partei der Kriegskredite, der Erdrosselung der deutschen Revolution, des Nato-Doppelbeschlusses, der Berufsverbote und der schlimmen Bärte wie Scharping und Beck.

Er entlarvt natuerlich ebenso den Sprachgebrauch der Menschenfeinde. Auch hier zwei der schønsten Beispiele:

WELT ONLINE: Wie erklären Sie anderen Menschen die Idee eines futuristischen Kommunismus?

Dath: „Futuristischer Kommunismus“ ist so was Ähnliches, als würde man einem Kranken „futuristische Heilung“ versprechen: Wenn die Schäden behoben sind, ist der Blick freier. Da will ich hin.

WELT ONLINE: Wie meinen Sie das?

Dath: Die Lösung eines Gegenwartsproblems liegt immer in der Zukunft, das Adjektiv „futuristisch“ soll diesen Umstand als Träumerei anschwärzen. Der Kommunismus wird durchgesetzt oder nicht.

Und:

WELT ONLINE: Sie schreiben viel, sehr viel. Pro Jahr gern auch mehrere Bücher und unzählige Artikel. Was macht das Schreiben mit Ihnen? [Anm.: Hiermit soll er ganz klar dargestellt werden, als jemand der in seiner eigenen Traumwelt lebt und von den Prolemen der richtigen Welt gar keine Ahnung hat.]

Dath: Leute, die sagen, ich sei verrückt, sollten erst mal erleben, wie verrückt ich bin, wenn ich längere Zeit nicht arbeiten darf.

Eine perfekte Antwort, auf eine Frage mit dummer Intention.

Ich schrieb ja bereits: lesenswert :)

 

… sind so einige Sachen. Aber man geht sozusagen vom Gegenteil aus, weil man so wenig drueber nachdenkt, ueber das, was schon seit der Kindheit immer und immer wieder gesagt wird.

Aber zum Glueck gibt es das Internet und da stolpert man dann ab und zu ueber etwas, was der Wahrheit deutlich naeher kommt; denn eigentlich benutzen wir 100% unseres Gehirns.

Wiedereinmal ein Zitat aus „SF im Allgemeinen und Lem im Besonderen„:

Die Mehrzahl der SF-Literatur versucht Fragen einer Kulturkritik weitgehend zu vermeiden: Demokratisch regierte Staatswesen beispielsweise kommen selten vor und funktionieren meist nicht recht; ihre Regierungen und Parlamente erweisen sich in der Regel als zu dumm oder zu schwerfällig, um die anstehenden Krisen zu meistern […]. Viele SF-Autoren machen es sich dadurch leicht, daß sie ihre Helden in oder gegen eine feudal organisierte Gesellschaft positionieren. In diesen Gesellschaften setzt sich der Stärkere viel leichter durch; somit ist auch die Identifikation mit dem Helden, der sich über das (selten vorhandene) Rechtssysten hinwegsetzt, für viele Leser sehr reizvoll. Die Begründung einer Demokratieform bedarf analytischen Denkens, das auch beim Leser die Gefahr der Langweile verursacht, denn nicht nur der Autor bevorzugt schnelle und unkomplizierte Lösungen […].

Das ist eine zutreffende Analyse der Situation. Und das ist auch einer der Gruende, warum ich ich trotz aller Schwaechen, Star Trek besser finde als Star Wars. Wenn doch nur deren Uniformen nicht so schrecklich uncool aussehen wuerden. Was mich daran erinnert, dass ich den Artikel bzgl. DS9 noch schreiben muss

Im Uebrigen …

[…] [lehnt] Lem […] die schnelle und unkomplizierte Lösung ab und [stellt] sich Fragen höchster Komplexität, wenn [er] [versucht], Strukturen der gegenwärtigen menschlichen Kultur zu analysieren.

Deswegen ist Lem teilweise relativ anstrenged zu løsen, aber genau dies ist auch einer der Gruende, warum ich so schwer begeistert von Lems Werken bin.

Denn es sollen bei dem Artikel mit dem Titel „How He and His Cronies Stole Russia“ keine Erkenntnisse manipuliert werden.

Schon so’n bisschen komisch unser (?), auf jeden Fall mein, „Putinbild“. Ist das doch der einzige Prominente, der einigen, uns so (kann man das schon so sagen?) verhassten, Gruppierungen Widerstand leisten kann und es auch tut. Aber darueber hinaus sollten wir die Fakten nicht aus den Augen verlieren.

So ca. in 2012 (vermutlich aber schon frueher), stolperte ich durch einen gluecklichen Zufall ueber die Examensarbeit Albert Almerings mit dem Titel „SF im Allgemeinen und Lem im Besonderen„.
Jetzt schaffte ich es auch endlich mal, diese zu lesen und ich komme nicht umhin daraus zu zitieren. Ist doch gerade die SF ein Tummelplatz von Ideen.

Ohne weitere Worte, mit Bezug auf die eine der Kategorien dieses Beitrages, dann auch gleich das erste Zitat:

[…] Lem, der sich als Atheist weniger über den Glauben an die Existenz/Nichtexistenz Gottes definiert, als in der Ablehnung einer Einschränkung der Vernunft durch Dogmen.

Das finde ich ganz wichtig hier mal so deutlich und in so klaren Worten stehen zu haben. Denn das wurde ja bspw. bereits hier ein bisschen angesprochen.

Das erinnert mich daran, dass ich mich mal endlich an den Artikel setzen muss, warum ich Atheisten (die Allgemeinen, nicht die im Lemschen Sinne) fuer genauso unvernuenftig halte wie all diejenigen, die an antropomorphe, unser Leben/Universum beeinflussende Hirngespinste glauben.

Ich […] fragte mich, wo ich […] ansetzen sollte […]

Da gibt es so viel, alles scheint so kompliziert und verwirrend. Ich fragte mich, wie man einen Menschen, der sich kaum mit den Hintergründen dieser Angelegenheit befasst, […] dazu bekommt, dass er auch mal die andere Seite sieht. […]

Aufklärung ist eine gute Sache, aber ad hoc ist sie […] kaum mehr zu leisten. Es gibt einfach zu viel zu sagen, zu viele Baustellen, zu viele Nebelkerzen und Minenfelder. Und wenn man jemanden dann quasi sagt, er sei Opfer von Propaganda, dann macht er dicht.  […]

Und hier im Zusammenhang.

… wenn man sich abseits der ueblichen Interessengebiete tummelt, ist schon erstaunlich. Und was man da alles erfaehrt ist schon sehr interessant. So zum Beispiel dieser lesenswerten, gar nicht so lange, Reisebericht ueber den Iran und dem widerspruechlichen Alltag einer saekularen Theokratie.

So wird die Bibel ja gern genannt. Warum auch immer.

Es liegt bei mir rum. Schon seit vielen Jahren. Und vor langer Zeit hatte ich das neue Testament mal angefangen zu lesen. War aber nicht interessiert und geistig offen genug zu der Zeit und habe es dann nach ein paar Tagen wieder sein lassen. Und seitdem hatte ich noch nicht wieder freie Kapazitaeten fuer einen neuen Versuch.

Aber dieses Buch liegt eben bei mir rum. Direkt auf dem Kapital. Was ich auch gerne irgendwann mal lesen møchte.

Die geschichtliche und gesellschaftliche Relevanz des Buches ist ja unbestritten. Und wenn man es kritisch (eben als historische Quelle) liest, soll es wohl einen ziemlichen Erkenntnisgewinn bringen. Selbst ein gewisser Genuss beim Lesen mag aufkommen.

All dies sind Gruende, warum ich mein „Bibelprojekt“ noch nicht ad acta legte.

Und dann las ich vor einiger Zeit dieses interessante Interview. Darin fand ich den Satz:

Danach war das Judentum eine Religion von galiläischen Bauern, das Christentum eine von hellenisierten Städtern.

Aueszerst interessant, nicht wahr! Das entspricht naemlich auch meinen Beobachtungen. Dass das Christentum eine Religion der (mehr oder weniger) Reichen ist. Dass „Christ sein“ vor allem dann geht, wenn es einem gut geht. Denn wie soll man aus tiefstem Herzen dem vergeben, der einem wieder und wieder das letzte bisschen Nahrung stiehlt?

Jedenfalls habe ich mit diesem Satz wieder mehr Lust bekommen, mir mal die Bibel volstaendig „reinzuziehen“.

… … …

Da schaute ich gerade mal bei Tante Wikipedia und dort steht:

vom griechischen Plural biblia – „Bücher“; daher auch Buch der Bücher

Jeannie Marshall schrieb in ihrem Artikel „This late in history, what shall we choose to read?

I feel anxious, I feel anxious, […] I think the reason for the anxiety has changed, though. When I was younger, I read looking for some kind of central truth, some sort of wisdom. If I just read the right stuff, I thought, I would be able to figure everything out. Now I read because I need information. I use the information as tools to write a paper, to contribute to a conversation and just to broaden my knowledge base.

Das sind drei, mir durchaus sehr bekannte Gefuehle. Sorge, nicht genug zu finden bzw. zu verstehen, das (mittlerweile nicht mehr so stark ausgepraegte) Suchen nach Weisheit und das heftige Verlangen nach Information.

Mittlerweile zwinge ich mich, nicht zu viel zu lesen einzupacken, wenn ich auf Reisen gehe. Und trotzdem (oder vielleicht deswegen) gehe ich tagelang vor jeder Reise ungezaehlte Male im Kopf meinen Lesestoff durch, ob ich auch genug dabei habe.
Zum Glueck ist da dann der eher rationale Teil meines Geistes, der versucht dieses Gefuehl zu beruhigen: „Ja Søren, es ist genug. Und wenn nicht, dann kaufst du dir eben eine Zeitung.“

Karl-Markus Gauß schreibt in „Befreiung durch Lesen„:

Literatur […] als Gegengift gegen das zwanghafte Nützlichkeitsdenken unserer Zeit ist und bleibt […] unabdingbar.

Und dies aus folgendem Grund:

[…] der Einzelne [erschafft sich] lesend eine eigene Welt […], die mit der seinen vielfältig zu tun hat und auf diese auch zurückwirkt, die aber eben doch eine andere, eine Gegen-Welt darstellt, die ihm in seinem Denken und Empfinden einen weiten Raum der Erfahrung wie der Vorstellung öffnet; dass er lesend in einen anderen Zustand gerät, in dem er, mit fremden Schicksalen befasst, sein eigenes neu sehen lernt.

Oder etwas romantischer:

Wer liest, führt viele Leben, probeweise, tageweise, und da ihm biologisch doch immer nur dieses eine bleibt, das er hat, wird er es, durch die Lektüre bestärkt oder verunsichert, womöglich anders zu gestalten versuchen, als es ihm vorgegeben wurde.

Dies kann ich so direkt bestaetigen. Auch wenn ich mir dem nicht direkt bewusst war/bin. Aber dazu schrieb ich ja schon neulich was.

Dewegen als Plaedoyer:

[Wir brauchen] Literatur […] deren Notwendigkeit gerade in ihrer praktischen Überflüssigkeit besteht […], eben weil sie unmittelbar zu gar nichts nütze ist und uns dadurch von dem Zwangsdenken befreit, dass alle Dinge, Begabungen, Tätigkeiten, Beziehungen immer etwas nützen, einen Vorteil eintragen müssen[.] Die uns aus der Bahn wirft, […] und uns auf neue Spuren setzt […].