Vor einer Weile liesz ich mich darueber aus, dass die Rolle der Kirche zu Galileis Zeiten mitnichten bøse, garstig und rueckwaertsgewandt war. Vielmehr hat diese in weltlichen (!) Fragen mittels der damaligen (!) „wissenschaftliche Methode“ gearbeitet und die Wissenschaften sogar aktiv unterstuetzt. Nur in geistlichen Fragen liesz sie sich nicht reinreden. Mittlerweile denke ich, dass das (unter den damaligen Umstaenden!) durchaus gerechtfertigt war. Fuer die Kirche war ein Galilei der was in spirituellen Dingen erzaehlt ungefaehr so wie wenn mir ein Koch sagt, dass Impfen zu Autismus fuehrt. Im besten Fall nervig, im schlimmsten Fall den øffentlichen Frieden (zer)størend.
An anderer Stelle liesz ich mich ueber Newton, und wie dieser eigentlich gar kein Wissenschaftler im heutigen Sinne war, sondern vielmehr einer der letzten Magier.
Wieauchimmer, Giordano Bruno ist eine weitere mythische Figur. (Auch) von ihm wird gerne behauptet, dass er ein ganz aufrichtiger Wissenschaftler war und fuer die (einzig wahre) Wissenschaft gestorben ist. Junge, Junge, da hab ich neulich was zu gelesen. Naemlich den Artikel von Lawrence S. Lerner und Edward A. Gosselin mit dem Titel „Was Giordano Bruno a Scientist?: A Scientist’s View“ im American Journal of Physics 41, 24, 1973, pp. 24–38 … *hust*.
Ich fand den Artikel schwer zu lesen und den angefuehrten Beispielen schwer zu folgen. Aber die Schlussfolgerung ist diese: Bruno hat NICHT die damaligen wissenschaftlichen Argumente durchdrungen, sondern eher nur nachgeplappert. Die Autoren geben dafuer gute Argumente anhand von Brunos Buechern, im Vergleich mit anderen zeitgenøssischen Quellen. Er war also mitnichten ein Wissenschaftler, auch nicht unter damaligen Gesichtspunkten und wir romantisieren das, weil es uns besser in den Kram passt.
Bruno tat dies um seine eigene, eher religiøs/spirituell ausgerichtete Agenda zu førdern … Uff! … was fuer eine Verkuerzung der Argumente und des Geschehenen, aber letztllich laeuft es darauf hinaus.
Die Autoren schreiben dazu schon in der Zusammenfassung:
Bruno’s “scientific” arguments do not exhibit any understanding of scientific reasoning or purpose. Rather they serve the totally unrelated function of allegorical descriptions of a metaphysical relationship between Man and God […]. Bruno sees Nature as the signature of God, and he believes that this signature can best be perceived through the hieroglyph of the Copernican theory.
Auszerdem war er ein Querulant und Størenfried, der sein Leben lang an keinem Ort verweilen konnte, weil er es sich mit den Leuten immer dermaszen verscherzte, dass sein Leben in Gefahr war. Am Ende konnte er nirgendwoanders mehr hingehen und kehrte in eine Gegend zurueck von der er wusste, dass er dort eingesperrt wird.
Letzteres ist auch der Unterschied zu Galilei. Ich kenne keine einzige Wissenschaftlerin (!) die fuer ihre Wissenschaft gestorben ist (dito fuer die Wissenschaftler). Galilei hat widerrufen, weil ein lebender Mensch sich wenigstens Gedanken machen kann ueber wissenschaftliche Belange und das nehmen ihm zu kurz denkende Menschen heutzutage uebel. Oder anders: Wissenschaftler sind eben gerade KEINE Maertyrer, denn ihnen stehen andere Wege der Wahrheit zur Verfuegung.
Und hier liegt der Hase im Pfeffer, denn der Begriff Maertyrer ist zurecht (fast?) ausschlieszlich dem religiøsen Bereich zugeordnet. Bruno wird nun gemeinhin als Maertyrer der Wissenschaft angesehen … ein Widerspruch in sich und dann auch noch falsch (siehe oben).
Aber ACHTUNG! Das bedeutet NICHT, dass Bruno und seine Buecher irrelevant waren (oder sind). Ganz im Gegenteil! Seine philosophischen Argumente haben spaeter wichtige Wissenschaftler wie Galilei oder Huygens massiv beeinflusst. Bruno spielt in der Entwicklung der Wissenschaft also eine wichtige Rolle. Aber nicht als (Proto)Wissenschaftler, wie es der heutige, weitverbreitet Narrativ ist. Und das wollte ich mal gesagt haben.
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