… dass moderater Alkoholkonsum gut fuer einen ist. .oO(Verdammt, jetzt muss ich jeden Beitrag in dieser Reihe so anfangen, weil ich den Titel so haben wollte.)

Beim letzten mal versuchte ich zu erklaeren, worauf die Methode der Mendelschen Randomisierung basiert, denn darauf baute der Artikel von Holmes, M. V. et al., mit dem Titel „Association between alcohol and cardiovascular disease: Mendelian randomisation analysis based on individual participant data“ in BMJ, 2014; 349:g4164, auf.

Ich erwaehnte noch, dass Holmes et al. die Ergebnisse von 56 Studien mit insgesamt ueber 250-tausend Teilnehmern (mit europaeischer Abstammung) auswertete und dass die rs122984 Mutation des ADH1B Gens herangenommen wurde um heraus zu finden ob moderater Alkoholkonsum gut ist oder nicht.

Zur Wiederholung sei erwaehnt, dass diese Mutation gewaehlt wurde, weil sie zur Folge hat, dass Alkohol schneller zu einem „unangenehmen Abbauprodukt“ umgewandelt wird, weswegen Traeger dieses Gens die negativen Folgen von Alkoholkonsum eher spueren. Dies wiederum hat zur Folge, dass …

[…] [Mutants consume] fewer units of alcohol per week (−17.2% units/week […]) and had lower odds of being in the top third of drinking volume […] compared with non-carriers.

Auszerdem hatten Mutanten eine kleinere Wahrscheinlichkeit „binge drinkers“ zu sein und eine høhere Wahrscheinlichkeit ueberhaupt nie Alkohol zu trinken.

Desweiteren sind dies in der relevanten Fragestellung die einzigen Auswirkung der Mutation auf das Verhalten und die Biologie der Traeger dieser Variation. Insbesondere hat die Mutation keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Herzens und des Blutkreislaufs und es gilt auch, dass …

[c]arriage of the […] [mutation] was not associated with physical activity […]

… denn mehr Bewegung ist i.A. natuerlich gut fuer’s Herz und allem was damit zusammenhaengt. Von weniger relevanten Ausnahmen, auf die ich an anderer Stelle kurz eingehen werde, abgesehen hat die Mutation auch keine Auswirkungen auf andere Aspekte der Lebensfuehrung.

Die (auch von Aerzten und Gesundheitsorganisationen verbreitete) „Volksweisheit“ ist nun, dass viel leichter und moderater Alkoholkonsum gut fuer die Gesundheit ist, spezifisch auch fuer die Gesundheit des Herz-Kreislaufsystems. Das bedeutet, dass Abstinenz oder hoher Alkoholkonsum weniger gut fuer die Gesundheit ist. Letzteres muss, denke ich, nicht weiter erwaehnt werden Ersteres hingegen ist meiner Meinung nach nicht ganz so klar. Aber das ist nunmal was die Leute sagen. Holmes et al. druecken das so aus:

[i]f the U shaped association between alcohol consumption and cardiovascular events is real, a comparison of event rates [Anm.: vulgo: Herzinfarkte (in diesem Fall)] in rs1229984 A-allele carriers (associated with a reduction in alcohol consumption from published studies […]) versus non-carriers will vary across broad categories of alcohol consumption.

Das „across broad categories of alcohol consumption“ ist wichtig, denn auch wenn man ein Mutant ist, kann man zur Gruppe der Menschen mit hohem Alkoholkonsum zaehlen. Das ist also nicht so, dass Mutanten nur zur Gruppen der wenig-oder-gar-nicht-Trinker gehøren, denn das wuerde die Mutation unbrauchbar machen fuer die Fragestellung.
Wieauchimmer, im Bild der „Volksweisheit“ bedeutet dies, dass …

[i]n light to moderate drinkers (>0 to <21 units/week), […] [mutants] will be expected to have a higher coronary heart disease event risk, whereas, for heavy drinkers (≥21 units/week) they will be expected to have a lower event risk.

Und ganz wichtig ist die Kontrollgruppe:

[…] it is expected that in non-drinkers carriage of the rs1229984 A-allele variant will have no effect on cardiovascular traits or events […].

Die Zitate hier zeigen ein bisschen, warum ich den Artikel so toll finde. Insgesamt sind das Themen mit denen ich mich ueberhaupt nicht auskenne — ganz allgemein Genetik und Medizin. Die Autoren schreiben das alles klar, gut strukturiert und verstaendlich auf, fuer Leute wie mich. Zugegeben, das Verstaendniss setzte øfter erst nach mehrmaligem Lesen von bestimmten Abschnitten ein. Das aber macht gute wissenschaftliche Artikel aus, dass eine interessierte Person die Argumentation nachverfolgen kann. Das bedeutet nicht, dass alle Details erklaert werden, denn letztlich werden wissenschaftliche Artikel doch fuer’s Fachpublikum geschrieben. Es wird also bspw. nicht im Detail erklaert, was eigentlich eine rs122984-Variante ist. Aber es wird genug allgemeiner Hintergrund geliefert, sodass besagte interessierte Person das woanders nachschlagen kann, um das dortige Wissen mit dem im Artikel Geschriebenen einzuordnen und alles besser zu verstehen. Dies ist uebrigens auch der Grund, warum ich im ersten Artikel dieser Reihe Mendelsche Randomisierung grob erklaere.

Soweit ich weisz, kønnen alle Krankheiten mit sogenannten Biomarkern in Verbindung gebracht werden. Kurz gesagt sind das objektive Sachen die man messen kann (bspw. Blutdruck oder Cholesterinwerte), die in einem eindeutigen Zusammenhang mit besagten Krankheiten stehen. Dies selbst dann, wenn sich aeuszerlich noch gar keine Symptome zeigen. Das ist uebrigens der Grund warum Aerzte sagen kønnen woran man vermutlich schneller als einem lieb ist sterben wird, wenn man seine Lebensgewohnheiten nicht aendert, obwohl man sich selbst doch noch ganz hervorragend fuehlt.

*Gedankensprung*

Holmes at al. fanden nun, dass Mutanten im Durchschnitt (beinahe) durch die Bank bessere Werte hatten bei Biomarkern fuer Herz- und Kreislauferkrankungen. In „wissenschaftlich“ schreibt man das so:

Carriers of the rs1229984 A-allele had lower systolic blood pressure (−0.88 (−1.19 to −0.56) mm Hg) compared with non-carriers. Concordant with this, rs1229984 A-allele carriers also had lower odds of hypertension (104 570 cases; odds ratio 0.94 (0.91 to 0.98)). Rs1229984 A-allele carriers had lower levels of interleukin-6 (−5.2% (−7.8% to −2.4%)), C reactive protein (−3.4% (−5.7% to −1.1%)), body mass index (−0.17 (−0.24 to −0.10) kg/m2), and waist circumference (−0.34 (−0.58 to −0.10) cm). Rs1229984 A-allele carriers also had lower non-HDL cholesterol concentrations (−0.03 (−0.05 to −0.01) mmol/L) […].

Ich verstehe die Zahlen und Trends derselbigen und kann generell die Fachbegriffe einordnen, gebe aber zu, dass mir das im Detail alles eigentlich nix sagt. Das ist (fuer mich) aber auch nicht so wichtig, weil ich im Allgemeinen verstehe wie das mit dem Thema zusammenhaengt und das fasste ich ueber dem Zitat kurz zusammen.

Es sei gesagt, dass es hiebei wichtig ist sich zu erinnern, dass die Mutation KEINE Verbindung zu diesen Biomarkern hat, sondern dass der Effekt nur dadurch zustande kommen kann, dass die Mutanten im Schnitt weniger trinken.

Und an dieser Stelle ein Cliffhanger … ach Quatsch, ich meine so einen Cliffhanger … .oO(tihihi).
Ein Cliffhanger deswegen, weil die Assoziation von Biomarkern mit Krankheiten nicht immer ganz ohne Probleme ist. Ganz in Allgemeinen ist das zwar schon gut etabliert, aber ein Mensch mit furchtbaren Cholesterinwerten kann immer noch an Altersschwaeche und nicht an ’nem Herzinfarkt sterben. Letztlich ist also die tatsaechliche Sterberate aufgrund von Herz- und Kreislauferkrankungen entscheident. Und das bespreche ich beim naechsten Mal.

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