Archive for April, 2022

… dass moderater Alkoholkonsum gut fuer einen ist.

Ich bin ueber noch einen wissenschaftlichen Artikel gestolpert mit dem passenden Titel „Alcohol—a universal preventive agent? A critical analysis“ von Hans Olav Fekjær in Addiction 108 (12), pp. 2051–2057, 2013 … ich sehe gerade nicht, ob der frei zugaenglich ist, weil ich in der Unibibo in Uppsala sitze; falls nicht: *hust*.

Hier schrieb ich:

[…] der […] Selkorrekturmechanismus der Wissenschaft […] [benøtigt] meist viele und lange und teure Studien […] oder die Entwicklung einer neuen Methode […].

Die in den letzten Beitraegen besprochene Studie von Holmes et al. benutzte eine neue Methode, wohingegen die hier zitierte (Literatur)Analyse den anderen Weg geht. Und das ist der Grund, warum ich besagten Artikel so interessant finde und die Resultate in mehreren kuerzeren Beitraegen vorstellen werde. Auszerdem ist’s immer gut Argumente gegen weitverbreitete Dummheiten zur Hand zu haben.

Deswegen leg ich jetzt ohne weitere lange Rede auch gleich mit der ersten (Meta)Beobachtung los.

Fekjær listet eine Auswahl von 45 (Beobachtungs)Studien auf, die scheinbar einen Zusammenhang zwischen leichten/moderatem Alkoholkonsum und dem Schutz vor 26 Krankheiten nachweisen. Die Krankheiten sind so unterschiedlich wie Alzheimer, Asthma, Darmkrebs, Diabetes, Gallensteine, niedriges Geburtsgewicht (!), Uebergewicht, Krankheiten des Geistes und ueberhaupt allgemeine Sterblichkeit. Ganz zu recht schreibt der Autor dann:

[a] conspicuous fact is that light or moderate drinking apparently prevent such a large number of unrelated diseases.

Denn das ist tatsaechlich auffaellig. Und noch mehr auffaellig ist, dass …

[…] beneficial effects for the different diseases all seem to peak at approximately the same consumption level. […] [I]n practically all these studies, certain small doses of alcohol appear to be protective and somewhat larger doses are apparently harmful.

Die Abhaengigkeit der „Reaktion“ einer Krankheit von der Dosis einer Medizin ist bekannt. Diese Dosisabhaengigkeit funktioniert aber nicht so wie Alkohol scheinbar funktioniert. Vielmehr kann der „Dosisgrenzwert“ ab dem ein Medikament nicht mehr hilft und eher schaedlich wird weit fluktuieren von Mensch zu Mensch und natuerlich von Krankheit zu Krankheit.
Nicht so bei Alkohol, da ist’s immer die (mehr oder weniger) gleiche Dosis, die dich gegen alles gleichzeitig beschuetzt … und das ist tatsechlich sehr verdaechtig in die Richtung, dass leichter/moderater Alkoholkonsum mglw. Ausdruck fuer was ganz Anderes ist und nicht wirklich gegen Krankheiten schuetzt (Letzteres ist ja was Holmes et al. direkt nachweisen).

Dazu mehr beim naechsten Mal.

Zum Jubilaeum (heute vor einem Jahr erschien der allererste Beitrag in dieser nicht ganz so kurzen Miniserie) geht es endlich mal weiter mit Kevin Bacon. Auch wenn die Weise der Publizierung das nicht erkennen laeszt, so habe ich die Auswertung doch monatelang vor mich hergeschoben, weil das so viel ist.

Heute nun steige ich gleich voll ein und verliere mich in einer Sache, die zunaechst wie ein kleines, nicht ganz so wichtiges Detail aussieht. Zumindest erschien es mir so. Dann machte ich aber ein paar Ueberschlagsrechnungen und irgendwie stimmte das Hinten und Vorne nicht. Die Aufklaerung des Mysteriums war eine spannende Sache und legt dann bereits ganz am Anfang SEHR viel ueber das Linknetzwerk der Wikipedia dar.
Das ist als eine Art „Warnung“ anzusehen, dass dies ein laengerer Beitrag wird.

Als kurze Wiederholung:
– Ich rede von Linkleveln und die Nummer des Linklevels sagt aus, wie viele „Schritte“ ich im Linknetzwerk getan habe um dort hinzukommen.
– Die Linklevel fangen an bei Null zu zaehlen, was dann natuerlich dem Titel / der Wikipediaseite entspricht, dessen Linknetzwerk ich jetzt gerade untersuche.
– Links die in vorherigen Schritten besucht wurden, werden nicht nochmal besucht.
– Auf jedem Linklevel sammle ich Daten und heute geht es um die totale Anzahl von Links die zum naechste Linklevel fuehren. Siehe dazu mein Artikel von neulich (gut, dass ich den geschrieben habe).
– Ich bin i.A. nicht an einzelnen Seiten interessiert, sondern an der Gesamtverteilung der Grøsze(n) von Interesse ueber alle Titel.

Und nun geht’s los und immer schøn der Reihe nach.

In der Gesamtheit sieht die Verteilung der totalen Anzahl von Links per Linklevel ueber alle Wikipediaseiten so aus:

Das sieht einfach aus, denn Verteilungen hatte ich hier ja schon ein paar Mal. Aber wenn man das auf sich wirken laeszt, dann sind da eine Vielzahl von Beobachtungen. Viele dieser Beobachtungen sind allgemein und treten auch so, oder zumindest in aehnlicher Form, bei anderen Grøszen von Interesse auf. Weil wir, also ihr, meine lieben Leserinnen und Leser, und ich, dem hier zum ersten Mal begegnen, møchte ich etwas naeher darauf eingehen.

Wie so oft sehen wir, dass die Darstellung mit linearer Ordinate im linken Bild nicht viel hergibt. Andererseits sehen wir bei lineraer Darstelung, wie schnell alles passiert und dann auch wie schnell alles wieder vorbei ist. Das Maximum ist nach nur vier Schritten erreicht. Und bereits auf Linklevel 3 tuen sich fast 100 Billionen Links auf. Das heiszt bei ca. 6 Millionen Titeln, habe ich nach nur 3 Schritten im Durchschnitt bereits ca. 150 Millionen weiterfuehrende Links vor mir.
Das erklaert natuerlich, warum man die meisten Titel von jedem anderen Titel mittels nur drei (oder vier) Schritten erreichen kann. Das war ja eine ganz konkrete Sache, ueber die ich mich bereits im allerersten Beitrag dieser Reihe (wenn auch nicht direkt) wunderte und die in mir ueberhaupt erst das Interesse an dem ganzen Thema weckte. Damit waere das nach einem Jahr dann endlich geklaert. Toll wa!

Bei logarithmischer Ordinate sieht man dann aber, dass auch nach dem Maximum noch laengst nicht alles vorbei ist. Und ach du meine Guete! Die Dynamik in dieser Verteilung geht von (knapp unter) 100 bis 1014 … das sind 12 Grøszenordnungnen! Das ist so viel, dass ich hier nicht mal mehr die kleinen Striche an der Achse zeichne. Dabei finde ich die doch so toll, weil sie so charakteristisch fuer logarithmische Achsen sind :) .
In Zukunft werde ich Verteilungen mit lineare Ordinaten nur noch zeigen, wenn es zu Informationsgewinn fuehrt. Bei einer solchen Dynamik ist es ziemlich offensichtlich, dass die logarithmische Darstellung der linearen ueberlegen ist.

Auch wenn das Allermeiste nach Linklevel 8 vorbei, so sieht man auch, dass es Wikipediaseiten gibt, die noch viel mehr Schritte benøtigen, bevor man diese erreicht hat. Hier nehme ich dann meine Aussage von oben teilweise zurueck und sage, dass mich dann doch interessiert, welche Seiten das sind.
Aber auch die letzte Ecke des Weltwissens ist nach maximal 73 Schritten erreicht. Der letzte Balken ist auf Linklevel 72 und das bedeutet, dass es nur noch von dort „Ausgaenge“ zu Seiten gibt, die ich vorher nicht besucht habe. Dies wird aber an anderer Stelle genauer betrachtet.

Das sind allgemeine Sachen. Heute von Interesse ist nur das Maximum (man beachte, dass die Ordinate nicht bei Null, sondern erst bei 10 Millionen anfaengt; die Balken sind also „eigentlich“ viel laenger) …

… und eigentlich interessiert mich gar nicht das Maximum an sich, sondern nur der Aufstieg von Linklevel 1 zu Linklevel 2 … und was dies ueber das Linknetzwerk sagt. Aber der Reihe nach.

Auf Linklevel 0 … ach je, das wird mir zu umstaendlich das immerzu zu schreiben und ich kuerz das jetzt mit „LL“ ab und der Wert ist dann der Index … jedenfalls betraegt die Summer der totalen Links auf LL0 165,913,569. Diese Zahl kenne wir schon, denn es ist die Summe aller Links, die ich auf allen Wikipediaseiten finde. Zum ersten Mal sind wir auf diese Zahl bereits vor langer Zeit gestoszen.
Wenn ich nun diese ca. 165 Millionen „Ausgaenge“ zu LL1 nehme, dann treffe ich dort auf mehr als 27 Milliarden Links. Cool wa, wie schnell das waechst! … … … Moment mal! … wieso waechst das denn SO schnell? … Das kommt mir etwas komisch vor.

Und damit sind wir bei dem am Anfang erwaehnten Detail, welches leicht zu uebersehen ist.

Machen wir mal eine Ueberschlagsrechnung. Die ca. 165 Millionen Links auf LL0 verteilen sich auf ca. 6 Millionen Seiten. Das macht ca. 30 Links pro Seite im Durchschnitt … nicht ganz, aber es ist ja nur eine Ueberschlagsrechnung. Wenn ich nun 165 Millionen Seiten auf LL1 mit (durchschnittlich) 30 Links pro Seite multipliziere, dann komme ich auf ca. 5 Milliarden „Ausgaenge“ zu LL2.
Einen Faktor zwei haette ich mglw. als „Fehler“ abgetan, aber ’n Faktor 5 zu viel? Hier scheint ein nicht ganz so offensichtlicher Mechanismus zu wirken … SUPERSPANNEND!

Aber vielleicht ist es doch ganz einfach. Denn mglw. muss ich mit dem Median und nicht dem Mittelwert rechnen … da muss ich mal eine der aelteren Analysen raussuchen … *raussuch* … im Wesentlichen ist’s das hier … øhm … nø … das ist auch nicht des Raetsels Løsung, denn die Haelfte der Seiten haben 15 Links oder weniger … Mhmmmmm … aber Moment … wenn der Mittelwert bei ca. 30 liegt, dann bedeutet das doch, dass Seiten mit (deutlich) mehr als 30 Links pro Seite einen groszen Einfluss haben muessen … mhmmmmm …

Einschub: die Idee mit dem Median war, wenn man mal drueber nachdenkt, von Anfang an zum Scheitern verurteilt … aber das Resultat dieser Idee (der relativ grosze Unterschied zwischen Median und Mittelwert) fuehrte mich letztlich in die richtige Richtung … das ist das Schøne am Erforschen eines Themas … das klappt mitnichten alles beim ersten Mal, aber wenn man was probiert was zu nix fuehrt, wird man mitunter auf Details aufmerksam, die man so vorher gar nicht bemerkt hat … und dann kommt man ueber einen (mehr oder weniger) kurzen Umweg doch noch zur Løsung :) .

Da stellt sich nun die Fragen: wie grosz ist eigentlich der Einfluss vielzitierter Seiten?
Ich stellte die 50 meistzitierten Seiten bereits vor. Und eine Seite, die bspw. 1000 Links hat und 300-tausend Mal zitiert wird, wuerde zum Gesamtsignal 300 Millionen Links — also ca. 1 % — beitragen. Gleichzeitig wissen wir, dass das Maximum der Verteilung der Zitierungen bei eins liegt, waehrend das Maximum der Links pro Seite bei ca. 10 liegt. Diese zwei Dinge zusammen fuehren dazu, dass ich fuer die gleiche Signalstaerke die die 300-tausend Mal zitierte Seite hat, 30 Millionen Seiten braeuchte, die ein Mal zitiert werden (mit 10 Links pro Seite). So viele gibt es gar nicht und um besagte Signalstaerke zu erreichen muesste ich alle Seiten zusammen nehmen, die einmal, zweimal, dreimal, … neunmal, zehnmal zitiert werden.
Diese kurze und einfache Ueberlegung zeigt bereits, wie krass ueberproportional der Einfluss nur einer vielzitierten Seite sein kann. Aber die 1000 Links oben habe ich mir nur ausgedacht und es stellt sich die naechste Frage: wie sieht denn die Anzahl der Links in Abhaengigkeit von den Zitierungen aus?

Nun ja, das ist etwas unuebersichtlich und sieht so aus:

Wir sehen, dass wir erstmal nix sehen, auszer einem groszen schwarzen Fleck.
Der schwarze Fleck kommt durch die Ueberlappung sehr sehr sehr vieler Datenpunkte zustande. Wobei ich die Punkte fuer null Zitierungen bzw. null Links weggelassen habe, weil die hier nicht relevant sind.

Wenn man sich alles mal genauer anschaut, dann sieht man, dass die Seite mit den meisten Zitierungen tatsaechlich ca. 1000 Links hat. Das war aber reiner Zufall.
Desweiteren sieht man, dass Wikipediaseiten selten deutlich mehr als 1000 Links haben und dass die Anzahl der Links unabhaengig ist von der Anzhal der Zitierungen fuer Seiten die weniger als ca. 1000 Zitierungen auf sich vereinen.
Ab ca. 1000 Zitierungen haben die entsprechenden Seiten aber anscheinend eine Art „Mindestanzahl“ an Links, in Abhaengigkeit von der Anzahl der Zitierungen. Das sieht man an der schraeg liegenden „Abbruchkante“, welche die „Mindestanzahl“ an Links festlegt, die eine Seite haben „muss“, wenn sie bspw. 50-tausend Zitierungen auf sich vereint.
Das war erstmal ein _aeuszerst_ (!) ueberraschendes Ergebniss. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ohne weitere Vorannahmen gibt es dafuer auch gar keinen Grund, denn warum sollte eine vielzitierte Seite nicht nur einen Link haben. Und das sieht man ja auch bspw. an den drei vertikalen Punkten bei ca. 60-tausend Zitierungen. Das sind drei so oft zitierte Seiten mit weniger als 10 Links.
Andererseits ist dieses Ergebniss dann doch nicht so ungewøhnlich wenn man bedenkt, dass vielzitierte Seiten vermutlich (eben wegen deren Popularitaet) sehr gut kuratiert sind. Das bedeutet dann, dass in diesen Artikeln vermutlich jedes kleine bisschen verlinkt ist. Je populaerer ein Artikel ist, um so mehr beinhaltet dieser vermutlich, was dann wiederum zu mehr Links fuehrt.
Dennoch, dies war eine spannendes Resultat, eben weil mich das so ueberrascht hat.

Wie genau hilft uns dies nun aber mit der obigen Frage? Nun ja, das ist ganz einfach. Ich muss fuer jede Wikipediaseite das Produkt aus der Anzahl der Links und der Anzahl der Zitierungen bilden. Die Summer aller dieser Produkte sollte dann die ca. 27 Milliarden| totalen Links von LL1 zu LL2 ergeben.

Aber an dieser Stelle breche ich ab. Es muss noch ziemlich viel erklaert werden und der Beitrag ist jetzt schon so lang.

… dass moderater Alkoholkonsum gut fuer einen ist.

(Vor)Letztes mal schrieb ich, dass Holmes, M. V. et al., in ihrer Studie „Association between alcohol and cardiovascular disease: Mendelian randomisation analysis based on individual participant data“ in BMJ, 2014; 349:g4164, herausfanden, dass Traeger der rs122984 Mutation des ADH1B Gens bessere Werte bei den Biomarkern haben, die mit Herz-Kreislauferkrankungen in Verbindung stehen. Ich liesz offen, ob sich das auch auf tatsaechliche Faelle koronarer Herzkrankheiten (hier scheint die dtsch. Wikipedia mal brauchbar zu sein) durchschlaegt … jaja, ich uebertreibe etwas im Titel dieses Beitrags, aber letztlich fuehrt das doch alls zu Herzinfarkten, nicht wahr.

Ohne viel Aufhebens, das Ergebniss ist, dass durch die Bank weg…

[…] [mutants] showed reduced odds of coronary heart disease […].

Auch die Einteilung der Personen in Gruppen (um den Zusammenhang zur „Volksweiheit“ herzustellen) aenderte daran nix:

[f]urther subdivision of the drinkers category into light (>0 to <7 units/week), moderate (≥7 to <21 units/week), and heavy (≥21 units/week) showed the same protective effect of the variant across all alcohol categories […].

Das ist also komplett entgegen besagter „Volksweisheit“ — egal wie viel (oder wenig) man trinkt, dass ist immer schlechter fuer dich, als nicht zu trinken. Oder anders:

[f]rom the U shaped association seen in observational studies, we would expect that for drinkers below the nadir (12-25 units/week), a reduction of 17.2% in alcohol consumption (corresponding to […] [be a mutant]) would lead to a small increase in the risk of coronary heart disease […]. Contrary to these expectations, however, we found that individuals below the nadir with a genetic predisposition to consume less alcohol had lower odds of developing coronary heart disease at all categories of alcohol consumption […] bringing the hypothesised cardioprotective effect of alcohol into question.

Der letzte Satz ist natuerlich sehr diplomatisch ausgedrueckt … tihihi.

Ganz wichtig war auch das Ergebniss bzgl. der beim letzten Mal erwaehnten Kontrollgruppe.

When analysis was restricted to non-drinkers the association was null […]

Es gab also keine Assoziation mit koronaren Herzkrankheiten und der Mutation bei Nichttrinkern. Das ist so wichtig, denn dies „koppelt zurueck“ zu der Annahme auf der die Benutzung der Methode der Mendelschen Randomisierung beruht:

[t]his is consistent with the assumption that the associations ascribed to the ADH1B variant are mainly due to alcohol consumption.

Also NICHT weil die Mutation auch noch irgendwas anderes im Kørper macht.

Lange Rede kurzer Sinn: wenn man das ordentlich untersucht und nicht nur schaut ob (und wie viel) Leute mit bestimmten Krankheiten Alkohol trinken, dann kommt man zu dem Schluss, dass auch leichter oder moderater Alkoholkonsum ganz generell nicht gut fuer dein Herz-Kreislaufsystem sind.

Soweit genug zum Artikel von Holmes et al. Das beendet die Reihe aber nicht, weil ich im Zuge dieser Fragestellung auf einen anderen Artikel gestoszen bin, in dem ein paar andere Dinge besprochen werden, die in den letzten Jahren Zweifel an der Gueltigkeit dieser „Volksweisheit“ aufkommen lieszen. Waehrend Holmes et al. eine (mehr oder weniger) neue Methode (und krass viele Daten) benutzen, so gehen die Argumente des besagten Artikels in eine andere Richtung. Das faellt aber auch unter den Mechansimus der „Selbstkorrektur in der Wissenschaft“ und deswegen møchte ich das gerne vorstellen. Und dann liefert es natuerlich noch mehr gute Argumente gegen die staendige Wiederholung dieser gefaehrlichen „Volksweisheit“ bei der naechsten sozialen Zusammenkunft.

… dass moderater Alkoholkonsum gut fuer einen ist. … Denn wie gesagt, ich muss ja jeden Beitrag in dieser Reihe so anfangen. Aber eigentlich passt der Beitrag nicht so richtig in diese Miniserie oder die bzgl. des Intelligenzquotienten … aber so ganz unpassend ist’s auch nicht. Kurz gesagt: das hier ist eine Art Einschub.

Wieauchimmer, ich erwaehnte neulich, dass Holmes, M. V. et al., in ihrer Studie „Association between alcohol and cardiovascular disease: Mendelian randomisation analysis based on individual participant data“ in BMJ, 2014; 349:g4164, keine Verbindung zwischen dem mutierten „Alkoholverarbeitungsgen“ und Variablen der Lebensfuehrung finden konnten.
Ich erwaehnte auch, dass es zwei (weniger relevante) Ausnahmen gab. Zum Einen war die Assozierung  …

[…] of the […] [mutation] […] with ever smoking […] in the opposite direction to that seen in observational analysis.

Das bedeutet, die Chance, dass Mutanten ueberhaupt jemals geraucht haben war grøszer als bei Nichtmutanten. Das waere dann doof, denn Rauchen ist schlecht fuer das Herz-Kreislaufsystem. Andere Variablen des Rauchens (bspw. Zigaretten pro Tag oder wie stark inhaliert wird (gemessen via Nikotinabbauprodukten im Blut) sind nicht anders als bei Nichtmutanten.
Zum Glueck ist der Effekt deutlich kleiner als der positive Effekt des weniger Trinkens und so klein, dass es eben unter die Kategorie „weniger relevant“ faellt, was immer das auch heiszen mag.

Die zweite Sache ist, dass

[… [mutants] showed higher total years in education […].

Auch hier ist der Effekt ziemlich klein (0.04 Jahre mehr im Durchschnitt) … aber ich versuchte ja in der Intelligenzquotientserie klarzumachen, dass kleine Effekte mitunter grosze Auswirkungen in den Extremen haben kønnten.
Im Sinne besagter Serie argumentiere ich nun, dass wenn die Mutation NICHT die Intelligenz direkt beeinflusst, sondern der Effekt durch weniger Trinken zustande kommt, dass dann die relativ einfache Masznahme einer erhøhten Alkoholsteuer zu einer Verschiebung der Intelligenz zur Folge haben kønnte. Jaja, das Ganze ist nicht so einfach, weil dann die Leute mglw. mehr Selbstgebrannten saufen und Prohibition sollten wir auch lieber nicht nochmal versuchen. Aber es unterstreicht den Punkt, dass (relativ) einfache und billige Masznahmen mit mglw. groszen Auswirkungen gar nicht so schwer zu finden sind.
Andererseits schrieb ich hier, dass Intelligenz sich im ganzen Genom breit macht und das unerwartet mit anderen Sachen wechselwirkt, wenn wir da was zu aendern versuchen. Sollte die Mutation also die Intelligenz direkt beeinflussen, waere der veraenderte Alkoholmetabolismus eine solche wechselwirkende Sache. In dem Fall waeren beide Auswirkungen (ausnahmsweise) gut … auszer natuerlich, dass man dann an Lungenkrebs stirbt, aber das passiert ja oft erst in spaeteren Jahren.

So, genug des Einschubs. Ich wollte das mal erwaehnen, wusste aber nicht so richtig wohin damit.

… dass moderater Alkoholkonsum gut fuer einen ist. .oO(Verdammt, jetzt muss ich jeden Beitrag in dieser Reihe so anfangen, weil ich den Titel so haben wollte.)

Beim letzten mal versuchte ich zu erklaeren, worauf die Methode der Mendelschen Randomisierung basiert, denn darauf baute der Artikel von Holmes, M. V. et al., mit dem Titel „Association between alcohol and cardiovascular disease: Mendelian randomisation analysis based on individual participant data“ in BMJ, 2014; 349:g4164, auf.

Ich erwaehnte noch, dass Holmes et al. die Ergebnisse von 56 Studien mit insgesamt ueber 250-tausend Teilnehmern (mit europaeischer Abstammung) auswertete und dass die rs122984 Mutation des ADH1B Gens herangenommen wurde um heraus zu finden ob moderater Alkoholkonsum gut ist oder nicht.

Zur Wiederholung sei erwaehnt, dass diese Mutation gewaehlt wurde, weil sie zur Folge hat, dass Alkohol schneller zu einem „unangenehmen Abbauprodukt“ umgewandelt wird, weswegen Traeger dieses Gens die negativen Folgen von Alkoholkonsum eher spueren. Dies wiederum hat zur Folge, dass …

[…] [Mutants consume] fewer units of alcohol per week (−17.2% units/week […]) and had lower odds of being in the top third of drinking volume […] compared with non-carriers.

Auszerdem hatten Mutanten eine kleinere Wahrscheinlichkeit „binge drinkers“ zu sein und eine høhere Wahrscheinlichkeit ueberhaupt nie Alkohol zu trinken.

Desweiteren sind dies in der relevanten Fragestellung die einzigen Auswirkung der Mutation auf das Verhalten und die Biologie der Traeger dieser Variation. Insbesondere hat die Mutation keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Herzens und des Blutkreislaufs und es gilt auch, dass …

[c]arriage of the […] [mutation] was not associated with physical activity […]

… denn mehr Bewegung ist i.A. natuerlich gut fuer’s Herz und allem was damit zusammenhaengt. Von weniger relevanten Ausnahmen, auf die ich an anderer Stelle kurz eingehen werde, abgesehen hat die Mutation auch keine Auswirkungen auf andere Aspekte der Lebensfuehrung.

Die (auch von Aerzten und Gesundheitsorganisationen verbreitete) „Volksweisheit“ ist nun, dass viel leichter und moderater Alkoholkonsum gut fuer die Gesundheit ist, spezifisch auch fuer die Gesundheit des Herz-Kreislaufsystems. Das bedeutet, dass Abstinenz oder hoher Alkoholkonsum weniger gut fuer die Gesundheit ist. Letzteres muss, denke ich, nicht weiter erwaehnt werden Ersteres hingegen ist meiner Meinung nach nicht ganz so klar. Aber das ist nunmal was die Leute sagen. Holmes et al. druecken das so aus:

[i]f the U shaped association between alcohol consumption and cardiovascular events is real, a comparison of event rates [Anm.: vulgo: Herzinfarkte (in diesem Fall)] in rs1229984 A-allele carriers (associated with a reduction in alcohol consumption from published studies […]) versus non-carriers will vary across broad categories of alcohol consumption.

Das „across broad categories of alcohol consumption“ ist wichtig, denn auch wenn man ein Mutant ist, kann man zur Gruppe der Menschen mit hohem Alkoholkonsum zaehlen. Das ist also nicht so, dass Mutanten nur zur Gruppen der wenig-oder-gar-nicht-Trinker gehøren, denn das wuerde die Mutation unbrauchbar machen fuer die Fragestellung.
Wieauchimmer, im Bild der „Volksweisheit“ bedeutet dies, dass …

[i]n light to moderate drinkers (>0 to <21 units/week), […] [mutants] will be expected to have a higher coronary heart disease event risk, whereas, for heavy drinkers (≥21 units/week) they will be expected to have a lower event risk.

Und ganz wichtig ist die Kontrollgruppe:

[…] it is expected that in non-drinkers carriage of the rs1229984 A-allele variant will have no effect on cardiovascular traits or events […].

Die Zitate hier zeigen ein bisschen, warum ich den Artikel so toll finde. Insgesamt sind das Themen mit denen ich mich ueberhaupt nicht auskenne — ganz allgemein Genetik und Medizin. Die Autoren schreiben das alles klar, gut strukturiert und verstaendlich auf, fuer Leute wie mich. Zugegeben, das Verstaendniss setzte øfter erst nach mehrmaligem Lesen von bestimmten Abschnitten ein. Das aber macht gute wissenschaftliche Artikel aus, dass eine interessierte Person die Argumentation nachverfolgen kann. Das bedeutet nicht, dass alle Details erklaert werden, denn letztlich werden wissenschaftliche Artikel doch fuer’s Fachpublikum geschrieben. Es wird also bspw. nicht im Detail erklaert, was eigentlich eine rs122984-Variante ist. Aber es wird genug allgemeiner Hintergrund geliefert, sodass besagte interessierte Person das woanders nachschlagen kann, um das dortige Wissen mit dem im Artikel Geschriebenen einzuordnen und alles besser zu verstehen. Dies ist uebrigens auch der Grund, warum ich im ersten Artikel dieser Reihe Mendelsche Randomisierung grob erklaere.

Soweit ich weisz, kønnen alle Krankheiten mit sogenannten Biomarkern in Verbindung gebracht werden. Kurz gesagt sind das objektive Sachen die man messen kann (bspw. Blutdruck oder Cholesterinwerte), die in einem eindeutigen Zusammenhang mit besagten Krankheiten stehen. Dies selbst dann, wenn sich aeuszerlich noch gar keine Symptome zeigen. Das ist uebrigens der Grund warum Aerzte sagen kønnen woran man vermutlich schneller als einem lieb ist sterben wird, wenn man seine Lebensgewohnheiten nicht aendert, obwohl man sich selbst doch noch ganz hervorragend fuehlt.

*Gedankensprung*

Holmes at al. fanden nun, dass Mutanten im Durchschnitt (beinahe) durch die Bank bessere Werte hatten bei Biomarkern fuer Herz- und Kreislauferkrankungen. In „wissenschaftlich“ schreibt man das so:

Carriers of the rs1229984 A-allele had lower systolic blood pressure (−0.88 (−1.19 to −0.56) mm Hg) compared with non-carriers. Concordant with this, rs1229984 A-allele carriers also had lower odds of hypertension (104 570 cases; odds ratio 0.94 (0.91 to 0.98)). Rs1229984 A-allele carriers had lower levels of interleukin-6 (−5.2% (−7.8% to −2.4%)), C reactive protein (−3.4% (−5.7% to −1.1%)), body mass index (−0.17 (−0.24 to −0.10) kg/m2), and waist circumference (−0.34 (−0.58 to −0.10) cm). Rs1229984 A-allele carriers also had lower non-HDL cholesterol concentrations (−0.03 (−0.05 to −0.01) mmol/L) […].

Ich verstehe die Zahlen und Trends derselbigen und kann generell die Fachbegriffe einordnen, gebe aber zu, dass mir das im Detail alles eigentlich nix sagt. Das ist (fuer mich) aber auch nicht so wichtig, weil ich im Allgemeinen verstehe wie das mit dem Thema zusammenhaengt und das fasste ich ueber dem Zitat kurz zusammen.

Es sei gesagt, dass es hiebei wichtig ist sich zu erinnern, dass die Mutation KEINE Verbindung zu diesen Biomarkern hat, sondern dass der Effekt nur dadurch zustande kommen kann, dass die Mutanten im Schnitt weniger trinken.

Und an dieser Stelle ein Cliffhanger … ach Quatsch, ich meine so einen Cliffhanger … .oO(tihihi).
Ein Cliffhanger deswegen, weil die Assoziation von Biomarkern mit Krankheiten nicht immer ganz ohne Probleme ist. Ganz in Allgemeinen ist das zwar schon gut etabliert, aber ein Mensch mit furchtbaren Cholesterinwerten kann immer noch an Altersschwaeche und nicht an ’nem Herzinfarkt sterben. Letztlich ist also die tatsaechliche Sterberate aufgrund von Herz- und Kreislauferkrankungen entscheident. Und das bespreche ich beim naechsten Mal.

Beim letzten Mal erklaerte ich drei der vier Grøszen die ich beim Abschreiten des Wikipedialinknetzwerkes untersucht habe. Die vierte ist eine Grøsze, die ich Linkfrequenz nenne. In kurz ist die Linkfrequenz ein Zaehler pro Linklevel und Titel OB (aber NICHT wie oft) besagter Titel insgesamt beim Abschreiten der Linknetzwerke aller Titel (inklusive sich selber) als Link auftaucht. Das ist gar nicht so kompliziert, wie sich diese komprimierte Beschreibung mglw. anhørt. Im Prinzip schaue ich auf jedem Linklevel, welcher (anderen) Titel zitiert werden und zaehle dann die Linkfrequenz(en) fuer diese (anderen) Titel und dieses Linklevel einmal hoch. Das wird (hoffentlich) verstaendlicher mit einem Beispiel.

Dafuer ziehe ich das (etwas modifizerte) abgeschlossene Beispiellinknetzwerk von vor einiger Zeit wieder heran:

Als Beispiel folgen wir allen Linkketten die zu Borkenkaefer fuehren.

Auf Linklevel 0 von Baum und Frucht wird Borkenkaefer zitiert. Damit zaehlt der Linkfrequenzzaehler von Borkenkaefer fuer Linklevel 0 zwei mal hoch.

Auf Linklevel 1 von Kirsche (via Baum), von Apfel (via Baum) und nochmals von Apfel (wie Frucht) wird Borkenkaefer zitiert. Auch hier zaehlt der Linkfrequenzzaehler von Borkenkaefer nur zwei mal hoch (diesmal fuer Linklevel 1). Der Grund ist, dass Baum und Frucht von Apfel aus gesehen auf dem gleichen Linklevel liegen. Das bedeutet, dass Borkenkaefer zwei mal auf Linklevel 1 (von Apfel aus gesehen) zitiert wird. Aber da ich nur daran interessiert bin OB und NICHT wie oft ein Titel pro Linklevel zitiert wird, zaehlt der Zaehler fuer diese beiden Faelle nur ein mal. Dies wird noch zwei Mal der Fall sein und da schreibe ich dann nur „dito“ und meine die Erklaerung hier.

Auf Linklevel 2 von Kuchen wird Borkenkaefer 3 mal zitiert (via Kirsche und Baum, via Apfel und Baum, via Apfel und Frucht). Dito, denn es ist wieder der selbe Ursprungsartikel von dem aus dieses Linklevel erreicht wurde und deswegen geht der Zaehler nur ein Mal hoch.

Zum Abschluss wird der Linkfrequenzzaehler von Borkenkaefer auf Linklevel 3 zwei mal hochgezaehlt. Einmal von Kirsche aus gesehen (via Kuchen, Apfel, Baum und Kuchen, Apfel, Frucht; dito) und einmal von  Apfel aus gesehen (via Kuchen, Kirsche, Baum).

Insgesamt sieht die komplette Linkfrequenzmatrix fuer dieses kleine, abgeschlossene Netzwerk so aus.

TitelLinkfrequenzzaehler
fuer Linklevel 0
Linkfrequenzzaehler
fuer Linklevel 1
Linkfrequenzzaehler
fuer Linklevel 2
Linkfrequenzzaehler
fuer Linklevel 3
Baum2110
Frucht1110
Borkenkaefer2212
Apfel1100
Kirsche1100
Kuchen2020

Die Linkfrequenzzaehler von Kuchen sind etwas speziell. Von Apfel aus gesehen zaehlt der Zaehler fuer Linklevel 0 einmal hoch, dann geht der Algorithmus zu Kuchen und von dort weiter zu Kirsche. Kirsche ist auf Linklevel 2 (von Apfel aus gesehen) und zitiert nochmal Kuchen. Damit geht der Zaehler fuer Linklevel 2 um einen hoch. Der Algorithmus geht aber nicht zurueck zu Kuchen, denn dieser Titel wurde ja (von Apfel aus gesehen) bereits besucht. Das Gleiche passiert wenn Kirsche der Ursprungsartikel ist.

Das scheint etwas kompliziert und die Frage ist, wofuer ich das eigentlich brauche. Der Grund ist, dass ich bei ersten (noch nicht systematischen) Tests ein paar Merkwuerdigkeiten bei der Anzahl der neuen Links auf hohen Linklevels gesehen habe. Es scheint, dass es Seiten gibt, die (fast) immer nur ganz am Ende der Linkkette (bei Linkleveln ueber 50) zitiert werden. Durch die Beobachtung der Linkfrequenz hoffe ich diesen auf die Spur zu kommen. Sollte meine Vermutung richtig sein, sollten derartige Seiten Peaks in der Verteilung bei hohen Linkleveln haben. Dies im Gegensatz zu „normalen“ Seiten, bei denen ich eine Art Plateau bei kleineren bis mittleren Linkleveln erwarten wuerde. Die genaue Analyse wird das zeigen … und noch ein bisschen auf sich warten lassen, weil ich gerade so viele „Faesser“ aufgemacht habe.

Immer wenn ich sage, dass ich eine Serie abschliesze, dann stolper ich doch noch ueber etwas. In diesem Fall mit nicht so groszem Abstand wie sonst.

Ich møchte ich mehrere Sachen klarstellen, aber eigentlich laeuft alles auf nur ein Dingens hinaus. Interessanterweise fuehrt mich das zu einem aelteren Beitrag zurueck. Aber der Reihe nach.

Im allerersten Beitrag dieser Reihe schrieb ich:

Selbstverstaendlich tragen alle […] [Menschen] dazu bei, dass es den Menschen um sie herum gut geht … das ist wichtig fuer so eine Art grundlegenden Wohlstand.

Vøllig anders drueckte ich die selbe Sache in besagtem aelteren Artikel so aus:

Das Dumme ist: der Weltraum ist voll von Gefahren. Und die „Intelligenzia“ hat oft die Eigenschaft, kuemmerlich auf solche Gefahren zu reagieren. Das kønnte jetzt zwar nur ein Vorurteil sein, aber die allermeisten Nobelpreistraeger wirken nicht so, als ob sie alleingelassen im Wald ueberleben wuerden.

Beide Male druecke ich aus, dass es ueberhaupt nix bringt, wenn es NUR superschlaue Leute gibt. Dies deswegen weil es superschlaue Leute nur geben kann, wenn andere Menschen diese am Leben erhalten indem besagte andere Menschen die Haeuser bauen und die Kartoffeln anbauen. Ebenso braucht es schlaue, aber nicht ganz superschlaue Pesonen (also die normelen Universitaetsabsolventen wie ich), denn Erstere arbeiten Letzteren zu. Egal wie toll der oder die zukuenftige Nobelpreistraeger(in) ist, wenn diese oder dieser nicht mindestens dutzende von Doktoranden und Doktorandinnen haette, wuerden die vielen wunderbaren Ideen nur reine Theorie bleiben. Der Grund ist natuerlich, weil besagte Doktorandinnen und Doktoranden die eigentliche „Handarbeit“ machen und das Gesamtbild, welches fuer das Voranschreiten der Menschheit sorgt, sich erst ueber viele Jahre ergibt.

Und hier liegt ein haeufiger Denkfehler semiintelligenter Menschen. Die halten sich naemlich fuer extra schlau und viel von sich selbst. Entsprechend wollen solche Personen oft NUR die Intelligenz førdern. Sei es, dass nur Begabtenschulen oder „Elite“universitaeten (so sinnvoll und wichtig ich beide Konzepte durchaus finde) positiv erwaehnt und geførdert werden und der Rest des Bildungssystems verkommt, oder so wahnwitzige Ideen, dass sich nur Leute mit Diplom fortpflanzen sollten. Zu meiner Schande muss ich sagen, dass ich als sehr junge Person, mit fast gar nicht vorhandener Lebenserfahrung, kurz nach der Schule durchaus auch dieser Meinung war … *seufz* … Zum Glueck sind Menschen in der Lage ihre Meinungen zu aendern.

Im oben zitierten aelteren Artikel schrieb ich ein bisschen dazu, was natuerliche Selektion bzgl. Intelligenz fuer negative genetische Auswirkungen auf die Gruppe der Ashkenzijuden hat. Aber letztlich wird das dort Geschriebene nur angenommen und man hat keinen direkten Beweis. … Dies ist das Stichwort um den Vorhang auf zu machen fuer Kotrschal, A. et al., denn die haben bereits 2012 mittels kuenstlicher Selektion Guppies mit grøszeren und kleineren Gehirnen (divergente Selektion nennen die das) gezuechtet und das Experiment in Current Biology 23 (2), p168–171, 2013 im Artikel mit dem Titel „Artificial Selection on Relative Brain Size in the Guppy Reveals Costs and Benefits of Evolving a Larger Brain“ vorgestellt (sollte frei sein, wenn nicht: *hust*).
Diese Selektion ging erstaunlich schnell:

[…] brain size responded rapidly to divergent selection […]. Relative brain size was already 9% larger in the upward- compared to the downward-selected lines after two generations of selection.

Und grøszere Gehirne bedeuten (innerhalb einer Spezies) tatsaechlich høhere Intelligenz:

[…] large-brained females [were] outperforming small-brained females in the learning assay […], thereby providing direct evidence for a positive association between relative brain size and cognitive ability. Interestingly, no difference was found between males of different brain sizes

Die Maenner waren wie immer zu doof, trotz grøszerer Gehirne. Ist ja bei den Menschen nicht anders, duenkt mich.

Das ist also absolut møglich, innerhalb relativ kurzer Zeit die (zahlreichen!) Intelligenzgene durch kuenstliche Selektion zu bevorzugen. Allerdings wurde das teuer erkauft:

Gut size differed between selection lines by 20% […]. […]
Offspring number was […] 19% lower in the large-brained lines as compared to the small-brained lines, which shows that the evolution of a larger brain has a strong negative effect on an important reproductive trait.

Das hatte man schon laenger vermutet. Zum Einen braucht das Verdauungssystem nach dem Gehirn die meiste Energie und der Kørper muss ds gut haushalten um zu ueberleben. Soweit ich weisz, kann man relativ gut nachverfolgen, dass die Verdauungssysteme der Spezies Homo kleiner wurden, wann immer unsere Vorfahren bessere (permanente) Nahrungsquellen fanden. Zunaechst mehr Fleisch als Gemuese und dann die Nutzbarmachung des Feuers. Im gleichen Zuge wurden unsere Gehirne grøszer.
Zum Anderen sind Meeressaeuger und Primaten (inkl. Homo Sapiens) mit Abstand die intelligentesten Saeugetiere, es sind aber auch die mit den geringsten Geburtenzahlen.
Man hatte fuer diese beiden Vermutungen nur noch keinen direkten Beweis.

Da ist also was zu holen, aber Intelligenz ist nicht nur auf einem oder ein paar wenigen Genen verteilt. Soweit ich den Stand der Forschung diesbezueglich ueberblicke, stehen sehr viele Stellen im Genom mit der Entwicklung des Gehirns und der Intelligenz in Verbindung und diese Stellen sind verkreuzt mit anderen Sachen wobei Herumwurschteln in den anderen Sachen dann gerne unangenehme Folgen haben kønnen. Deswegen scheint mir, dass gezuechtete „Intelligenzuebermenschen“ im Schnitt eher krank und schwaechlich sein werden. Kurzfristig waere das mglw. ein Gewinn, aber es wuerde dem wirklich langfristigen Vorankommen der Menschheit eher im Wege stehen. Die geringere Fortpflanzung spricht fuer sich, aber wenn die Menschheit permanent kuenstliche Nahrungsquellen braucht, dann ist das insgesamt kein robustes System mehr, wenn da mal ’ne grøszere Katastrophe (bspw. ein Virus) kommt.

Und deswegen plaediere ich in den Artikeln dieser Reihe (und auch im Allgemeinen) so sehr dafuer, die Lebenssituation ALLER Menschen zu verbessern. Denn da gibt es noch etliche (andere) „low hanging fruit“ die „geerntet“ werden kønnen, ohne permanente, alles kaputt machende Nebenwirkungen.

Im vorigen Artikel erwaehnte ich kurz die weitumfassenden Programme um dem Jodmangel entgegen zu wirken. Diese fanden grosze Aufmerksamkeit zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg. Mittlerweile wissen nur noch (verhaeltnismaeszig) wenige Menschen, warum denn Iodsalz zum Kochen verwendet werden sollte. Dies liegt daran, dass zumindest in den westlichen Laendern niemand mehr die Auswirkungen von Iodmangel auf den menschlichen Kørper (buchstaeblich) vor Augen hat; dies aufgrund des ueberwaeltigenden Erfolgs dieser Programme. Im zitierten Beitrag schrieb ich auch, dass das eine sehr, sehr gute Sache ist.

Ungefaehr zum gleichen Zeitpunkt stolperte ich ueber Black Like Me von John Howard Griffin und ich empfehle das Buch unbedingt zu lesen, denn zumindest mich und meine Sicht auf die Welt hat es nachhaltig beeinflusst.

Kurz zum Inhalt: der Autor untergeht eine Behandlung die seine Haut schwaerzt und reist Ende der 50’er Jahre fuer einige Wochen als „Negro“ (wie es damals noch ueblich war zu sagen) durch den Sueden der USA.
Es ist furchtbar zu lesen, wie Menschen andere Menschen behandeln … aber leider ist das ja nichts Neues :( .

Es gibt einen Grund, warum ich dieses Buch im Zusammenhang mit dem ganz oben Geschriebenen erwaehne. Dieser ist, dass es mich (indirekt) darauf aufmerksam machte, dass wir als normale Individuen der Gesellschaft im Grunde nicht wirklich etwas ueber die Gruende der Buergerrechtsbewegungen der 60’er Jahre wissen. In den USA war diese zu groszen Teilen gepraegt durch die (bis heute nicht wirklich beantwortete) Frage der Integration nichthellhaeutiger Menschen (denn dies betrifft viel mehr Menschen als die Nachkommen der Sklaven in den USA).
Hinzu kamen all die Fragen bzgl. der Gleichberechtigung von Frauen und nicht-(gesellschaftlich)-konservativer Menschen (vulgo: Studentenbewegung). Zumindest die letzten zwei Themenstellungen waren auch in Europa relavant.

Und da war es wieder, das Praeteritum. Warum eigentlich? Denn natuerlich ist das immer noch relevant! Es gibt politische und gesellschaftliche sehr erfolgreiche Kraefte in der westlichen Gesellschaft, die dem Vorankommen menschenfreundlicher Ideen massiv im Weg stehen, ja das bereits errreichte wieder rueckgaengig machen wollen. Seien es politische Parteien (bspw. die offensichtlichen Naziparteien, aber damit meine ich auch andere sog. „konservative“ Parteien) oder der Arbeitskollege (leider oft genug auch die Arbeitskollegin!) der ernsthaft meint, dass Frauen sich doch nicht so haben sollen, denn es war doch schlieszlich eine Frau viele Jahre Bundeskanzlerin.

Aber das war ja schon oft genug Thema in diesem Weblog und ich wollte eigentlich auf das Folgende hinaus: es ist auch hier sehr gut, dass wir das Elend (von dem ein wichtiger Teil in dem Buch beschrieben wird) nicht mehr vor Augen und vergessen haben. Ist es doch ein Zeichen von massivem Fortschritt. Aber vielleicht sollten wir versuchen uns doch daran zu erinnern, denn wir sind laengst noch nicht fertig mit dem Aufbau einer besseren Gesellschaft; fuer Letzteres ist es immer wichtig zu wissen, warum man das eigentlich macht. Und unter Anderem deswegen lege ich die Lektuere dieses Buches wirklich ans Herz. Es ist auch relativ kurz (nur ca. 150 Seiten) und schnell gelesen (ich brauchte 2 Tage) und wem es zu umstaendlich ist in die Bibliothek zu gehen … øhm … *hust*.

Um diese Reihe abzuschlieszen møchte ich auf eine groszflaechige, kuenstlich eingefuehrte, Gesundheitsmasznahme hinweisen, die uns allen bekannt ist: Iodsalz.

Meist benutzen wir das, weil unsere Eltern uns sagten, dass das wichtig ist. Wenn das Wissen ueber „Tradition“ hinaus geht, dann weisz man vielleicht noch, dass die Schilddruese das braucht und damit man keinen Kropf bekommt.
Deutlich weniger bekannt in der allgemeinen Bevølkerung durfte der folgende Fakt sein:

Iodine deficiency is the leading cause of preventable intellectual disability […].

Und das ist eine verdammt gute Sache, dass das weniger bekannt ist, denn das angeborene Jodmangelsyndrom ist zumindest in westlichen Laendern sehr selten geworden. Dies liegt daran, dass vor ca. 100 Jahren besagte westliche Laender begannen Masznahmen einzufuehren, die dem kronischen Iodmangel entgegenwirken.

Eine Studie dazu zeigte fuer die Schweiz, dass Kinder, geboren nach der Einfuehrung von Iodsalz, im Schnitt laenger in der Schule blieben, bzw. dass (relativ gesehen) mehr Menschen høhere Abschluesse erhielten.
Eine andere (Meta)Studie kann den Effekt fuer chinesische Kinder sogar auf (im Schnitt) neun zusaetzliche IQ-Punkte quantifizieren.
Noch eine andere Studie (*hust*) zeigt den Effekt den Iodsalz auf das (durchschnittliche) Einkommen in den USA hat (11 % mehr Geld, mit den zu erwartenden „Nebenwirkungen“).
Dies sind aber nur drei Studien zu einem Effekt der seit langem bekannt und gut untersucht ist.

Ich erwaehne dies explizit, denn es ist so wichtig, weil die Einfuehrung von Iodsalz primaer den Lebensstandard der Menschen erhøht durch deutlich weniger Leiden durch Schilddruesenunterfunktion. Und solch eine allgemeine Masznahme, die gut ist fuer alle Menschen (!), muss nicht mal viel kosten, denn bspw. die Zugabe von Iod erhøht den Preis von Salz um nur ein paar Cent pro Tonne.

Auszerdem ist dies ein ganz konkreter Beweis dafuer ist, dass die Verteilung der Intelligenz einer groszen Population mittels sehr einfacher Masznahmen beeinflusst werden kann.

Und nun ist die Frage, inwiefern die gigantischen technologischen Schritte welche die Menschheit seit ca. den 50’er Jahren genommen hat, auf eben eine solche Verschiebung durch Iod zurueckgefuehrt werden kann.
Und die 50’er sind wichtig, denn das war die Zeit, als die 1. Generation von Kindern welche mit Iodsalz aufgewachsen ist, sich im Berufsleben etablierten.

Auszerdem ist die Frage, inwiefern dies zu den gesellschaftlichen Unruhen der 60’er und 70’er gefuehrt hat. Letztere sind naemlich ganz offensichtlich auch dadurch zustande gekommen, weil insb. junge Menschen mehr und mehr selber gedacht haben und sich nicht mehr durch ein das-war-schon-immer-so haben abspeisen lassen. Und wir profitieren von all dem (sei es durch Gleichberechtigung oder den Laptop auf dem Tisch).

Deswegen zum Abschluss: immer schøn fuer Sachen sein, die den Lebensstandard ALLER Menschen erhøhen. Das lohnt sich langfristig so krass, dass eventuelle, individuelle, kurzfristige Gewinne das nie im Leben ausgleichen kønnten.

Weil mir der kleine Mann hinterherspioniert, weisz ich jetzt, dass ich seit Jahren einen Eintrag in der IMDB habe.

Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht … trotzdem cool wa!

Nun brauche ich nur noch einen Wikipediaeintrag.

An dieser Stelle (mal wiedr) ein Danke an besagten kleinen Mann, dass er das gefunden und mich darauf aufmerksam gemacht hat.