Geburtstagsbeitrag! Da dies mein Geschenk von mir an mich ist, bedeutet dies wie immer, dass ich mir erlaube so lange und komplizierte Saetze zu schreiben, und auf das gewaehlte Thema so detailliert und langatmig einzugehen, wie ich Lust drauf habe.
Das Thema dieses Jahr ist die Einleitung zu einer neuen Miniserie und es wird darum gehen, wie in Dtschl. elektrischer Strom produziert wird.
Aber der Reihe nach.
Vor ueber einem Jahr stolperte ich ueber diese Seite und war schwer begeistert. Die Stromproduktion in Dtschl. … Stunde fuer Stunde … aufgeteilt in die verschiedenen Produktionsmethoden … und das Ganze seit 2010! … GEIL!
Auf das was ihr, meine lieben Leserinnen und Leser, dort seht, gehe ich spaeter im Detail ein.
Zunaechst einmal versuchte ich die Daten auf die uebliche Weise aus der Seite zu „ziehen“. Die „uebliche Weise“ ist STRG + U um den Quelltext der Seite angezeigt zu bekommen. Spaeter haette ich das dann natuerlich automatisiert. Das funktionierte leider nicht, denn im Quelltext stehen die Zahlen nicht drin. Das war also ’ne Sackgasse :(
Da ich keine Ahnung habe, wie auf der Seite die Graphen hergestellt werden, dachte ich mir, dass ich mir die Rohdaten dann eben direkt aus der Quelle hole. Letztere sind mehrere und auf der Seite unten angegeben. Also suchte ich danach und es stellte sich heraus, dass das ebenso gar nicht so einfach ist. Da fuer mindestens einen Teil der Daten auch bezahlt werden musste, schloss ich auch diesen Weg aus.
„Was nun?“ dachte ich da. Und mir kam die Idee, dass ich die Maus langsam ueber den Graphen fahren lassen kann und dann die Zahlen fuer jede Stunde ablese. … … … Kurzer Ueberschlag … 9 Jahre … jeweils 365 Tage … mit 24 Stunden … 12 Produktionsmethoden (plus Import) … das macht … ca. 1 Million Datenpunkte!
Tja … das ganze musste also automatisiert werden.
Die Maus automatisch ueber den Bildschirm ziehen ist einfach. Die jeweils neachste Woche auf der Webseite „anzuschalten“ ist auch einfach. Dito bzgl. des Erstellens eines Screenshots
Aber dann musste ich erstmal ein Program schreiben, welches erkennt wo die Zahlen zu finden sind und diese dann identifiziert. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die Zahlen ja keine Zahlen, sondern Bilder sind, die wie Zahlen aussehen.
Das war eine interessante Aufgabe und hat mir grosze Freude, und beim Programmieren natuerlich auch øfter mal Frustration, bereitet. Frustration deswegen, weil das mitnichten immer alles auf dem gleichen Platz ist. Das sieht nur so aus und bringt einfache Ansaetze gehørig durcheinander.
Am Ende liesz ich meinen Computer dann ein paar wenige Tage (und Naechte) laufen und *zack!* hatte ich die Daten. Toll wa! So einfach geht das.
War natuerlich nicht so einfach und geradlinig, aber das ist ja schlieszlich mein Geburtstagsbeitrag. Da bin ich der Held der Geschichte :) .
Aber nun zu den Daten. Was sehen wir hier eigentlich? Hier ist ein aufbereitetes Beispiel (klick auf’s Bild fuehrt zu einer grøszeren Version):
Dies ist die Stromproduktion in Woche 17 des Jahres 2011. Dieser Zeitraum wurde semi-zufaellig gewaehlt, denn er ist relativ repraesentativ und zeigt keine Besonderheiten.
Jede Farbe repraesentiert eine Methode der Stromproduktion. Tieflblau ist die Menge des importierten Stromes.
Die Høhe einer jeden Saeule ist die Menge des produzierten Stromes in einer gegebenen Stunde.
Mehrere Sachen fallen ins Auge. Da diese wichtig sind fuer viele weiteren Betrachtungen in spaeteren Folgen dieser Serie, møchte ich hier kurz darauf eingehen.
Zunaechst einmal ist dieser Graph anders als die, die ich ueblicherweise verwende.
Es faellt sofort auf, dass ich mich dafuer entschieden habe, den Graphen in die Laenge zu ziehen. Dies tat ich schweren Herzens, aber aufgrund der Tatsache, dass andernfalls alles so gequetscht waere und man nicht viel erkannt haette.
Die Daten jeder Produktionsmethode sind hier aufsummiert. Dies erlaubt es leicht zu sehen, wie hoch die gesamte Stromproduktion ist. Gleichzeitig sieht man auch auf einen Blick, wenn zu viel Strom produziert und dieser exportiert wurde. Der Export sind dann die negativen Zahlen.
Man sieht dadurch allerdings nicht auf einen Blick wieviel Strom ganz konkret von bspw. Kohlekraftwerken produziert wurde. Oder … nun ja … man sieht es, aber man bekommt nur so ein „Bauchgefuehl“, denn da „zappelt“ alles.
Womit ich auch beim naechsten Nachteil waere. Es scheint, als ob die Produktion total schwankt. Dem ist aber mitnichten so. Viele der bunten Baender sind ziemlich gerade und deren „Dicke“, also die Menge des mit dieser Methode produzierten Stromes, aendert sich nur minimal. Das „Zappeln“ kommt dadurch zustande, dass _alles_ aufsummiert wird. Insbesondere die Schwankungen des Stromimports fuehrt zum zappeln. Bei der Besprechung einzelner Produktionsmethoden werde ich dann natuerlich die NICHT aufsummierten Zahlen zeigen.
Desweiteren sehen wir zwei starke (reale) Schwankungen. Die erste ist Tag und Nacht. Tagsueber muessen mehr Straszenbahnen fahre, Bueroraeume geheizt werden, Licht angeschaltet und Maschinen in Betrieb sein, etc. pp. Das ist der „sinusartige“ Verlauf der gesamten einhuellenden Kurve. Die zweite grosze Schwankung ist der Unterschied zwischen Woche und Wochenende. Ich bin mir nicht sicher warum das so ist, denn die Industrie steht ja nicht still. Es kønnte mglw. dadurch kommen, dass Bueroraeume nicht geheizt werden muessen und die Leute weniger mit Straszenbahnen fahren, da sie nicht zur Arbeit muessen. bzgl. des Heizens bin ich unsicher, denn im Sommer sieht es ganz genauso aus. Aber da werden Bueros ja vielleicht gekuehlt. Oder die Luftzufuhr wird am Wochenende gedrosselt. Oder es hat gar nix mit Bueros zu tun und vielleicht steht ja doch ein guter Teil der Industrie still am Wochenende.
Jedenfalls wasauchimmer die Ursachen sind, am Wochenende wird weniger Strom benøtigt.
Eine weitere Schwankung betrifft bestimmte Produktionsmethoden. Besonders ins Auge faellt Solarstrom. Die Sonne scheint naemlich nur am Tage. Aenderungen im Wind sieht man aber auch, die sind aber nicht periodisch. Am Montag und Sonntag der dargestellten Woche blies der Wind staerker als an den anderen Tagen. Das wird weiter unten nochmal wichtig, denn hier hørt man gleich wieder die ueblichen Verdaechtigen den ueblichen Unsinn rufen.
Ansonsten ist die Stromproduktion (und dadurch indirekt die Umwandlung in andere Energieformen oder Arbeit … vulgo: Verbrauch) sehr stabil fuer gegebene Zeitraeume! Die Tagesspitze ist ungefaehr immer gleich hoch und das naechtliche Tief immer ungefaehr gleich tief. Ebenso der „Anlauf“ am Morgen und das „Beruhigen“ zum Abend. Das war zu erwarten, aber ich hatte das noch nie so direkt gesehen.
Als Letztes, generelles Merkmal sieht man, dass manche Methoden fuer ganz Dtschl. nicht so super wichtig sind; bspw. Saison- oder Pumpspeicher. Man beachte, dass diese _lokal_ von groszer Bedeutung sein kønnen! Das sieht man hier natuerlich nicht.
Aufgrund der Nachteile werde ich derartige Graphen selten (wenn ueberhaupt) zeigen. Aber manchmal (wie bspw. in dieser Einfuehrung in das Thema) ueberwiegen die Vorteile.
NICHT von Interesse in dieser Serie sind sind Spitzen- und Rekordwerte. Das interessiert mich nicht, ob und wann besonders viel Strom aus Wind produziert wurde. Das kann man in der Zeitung lesen und hat ungefaehr gar keine Aussagekraft.
Diese Serie soll aber anhand der Daten dazu dienen, mal mit ein paar Mythen aufzuraeumen. Ebenso møchte ich auf ein paar tolle Sachen bezueglich der Stromproduktion hinweisen, die man sonst so nicht auf dem Radar hat.
Dies ist ja mein Geburtstagsbeitrag. Deswegen war es das noch nicht … denn das waere ja viel zu kurz.
Der vorletzte Satz ist der Stichpunkt fuer den Rest dieses Beitrags: Mythen bzgl. der Stromversorgung.
Ein wohlbekannter Mythos ist, dass wir ja die sog. „Grundkraftwerke“ nicht einfach an und ausschalten kønnen, wenn „pløtzlich“ der Wind weht.
Nun ja, Grundkraftwerke sind Kohlekraftwerke und hier ist fuer Woche 36 des Jahres 2015 die produzierten Leistung aller Steinkohlekraftwerke aufgetragen.
Von Freitag zu Sonnabend faellt die produzierte Leistung von 15,89 GWh Abends um Acht auf nur 3,87 GWh nur vier Stunden spaeter. Das entspricht einer durchschnittlichen Drosselung der produzierten Leistung von 3 GWh pro Stunde. Im ersten Bilde dieses Beitrags sehen wir, dass die Leistung die „immer“ „verbraucht“ wird pro Stunde ca. 50 GWh sind. Solch eine Drosselung entspricht ueber 5 % der Gesamt(!)produktion ueber ALLE(!) Produktionsmethoden! Also NUR die Steinkohlekraftwerke werden so krass gedrosselt, dass das deutlich an der Gesamtproduktion gemessen werden kann!
Als ich das sah wusste ich, dass mir mit obiger Aussage ins Gesicht gelogen wird. Ich hatte echt gedacht, dass das stimmt.
Nun kønnte man ja sagen: Ausnahmesituation!
Aber dann schauen wir mal auf die Nacht vom Dienstag zum Mittwoch. Da wird die Produktion gedrosselt von 18,33 GWh Abends um Neun auf 9,03 GWh Nachts um Eins. Das ist immer noch ein Gradient von deutlich ueber 2 GWh/h. Und dieser Gradient bewegt sich im gleichen Rahmen auch fuer alle anderen Werktage.
Ach ja, das wieder Anfahren geht fast genauso schnell.
Nun ist die Frage, warum die Produktion von Strom mittels Steinkohle so drastisch runter gefahren wurde. Dafuer schauen wir mal auf die Gesamtproduktion besagter Woche (Achtung: Import ist weggelassen):
Von Freitag zu Sonntag hat tatsaechlich der Strom „pløtzlich“ angefangen zu wehen. Und da sind wir gleich bei der zweiten, immer wieder unhinterfragt wiederholten Luege, welche sich in der Aussage von oben versteckt. Es gibt keinen „pløtzlichen“ Wind! Wann und wo Wind auftritt kann relativ genau vorhergesagt werden. Vermutlich nicht mit 1 Woche Vorsprung, aber wir sehen hier ja, dass ein paar Stunden schon ausreichen. Denn von Freitag zu Sonnabend nimmt die produzierte Leistung aus Steinkohle im gleichen Masze ab, wie die produzierte Leistung aus Wind zu nimmt!
Krass wa! Wie weit Technik und Wissenschaft und die Zusammenarbeit verschiedener Sektoren der Gesellschaft (Stromproduktion und Wetterdienst) schon funktionieren. Da kønnte man fast meinen, dass wir schon im 21. Jahrhundert leben!
Aber das war’s nocht nicht. Denn nur mit den Daten von Freitag zu Sonnabend høre ich die ueblichen verdaechtigen schon wieder „Ausnahmesituation!“ rufen. Und man kønnte fast denken, dass das stimmt, denn hier faellt der niedrigere Verbrauch durch das Wochenende mit niedrigem Verbrauch in der Nacht und starkem Wind zusammen.
Genau deswegen hatte ich oben auch die Zahlen fuer einen normalen Wochentag angegeben. An der Gesamtproduktion sehen wir, dass der Wind sich nicht stark veraendert in besagter normaler Wochentagsnacht. Ebenso muss ja am Mittwoch wieder „volle Pulle“ produziert werden, denn es ist ja ein normaler Wochentag. Dennoch geschieht die Drosselung der Stromproduktion durch Steinkohle fast ebenso schnell.
Daraus kann man also schlieszen, dass die „Grundlast“ durch klassische (!) Grundkraftwerke NICHT langsam von statten gehen muss UND dass „schnelles Abschalten“ alltaeglich geschieht und NICHT NUR in Ausnahmesituationen.
Deswegen wiederhole ich das hier nochmal ganz deutlich: dass das schnelle Abschalten (oder Anschalten) der Grundkraftwerke nicht møglich oder mindestens sehr schwer und schaedlich sein soll, ist nur ein Mythos! … Ach was , das hørt sich viel zu niedlich an. Vielmehr ist es so, dass euch, meinen lieben Leserinnen und Lesern, mit dieser Aussage mit voller Absicht und trotz besseren Wissens ins Gesicht gelogen wird!
Ich møchte noch hinzufuegen, dass ich diese Woche ganz konkret nahm, da sie das Geschriebene gut illustriert, weil drei Sachen gleichzeitig passieren (Wochenend, Nacht und viel Wind), und damit tatsaechlich eine ungewøhnliche Situation vorliegt, aber dennoch eine normale Situation ohne grosze ungewøhnliche Aenderungen in der selben Woche zu sehen ist.
Ich musste aber nicht lange danach suchen und aehnliche Situationen finden sich sehr oft ueberall in den Daten. Es handelt sich hierbei also nicht um Rosinenpickerei.
Nun aber! Jetzt hat dieser Beitrag eine adaequate Laenge. Und ihr meine lieben Leserinnen und Leser kønnt euch auf weitere Artikel in dieser Miniserie schon freuen. Denn es kommen viele gute Nachrichten, die gut gegen die allgemeine duestere Stimmung genutzt werden kønnen und die so ganz generell ein „wir kønnen das schaffen, die Technologie ist dafuer da, wir muessen nur wollen“-Bild vermitteln. Toll wa :)