So ist ein Briefwechsel zwischen Albert Einstein und Sigmund Freud betitelt.
Ich las diesen vor vielen Jahren und vergasz es dann. Nun stolperte ich beim Aufraeumen ueber diese Zettel und stellte fest, dass darauf Notizen waren, welche aussehen, wie fuer einen Weblogartikel gedacht.
Dies hier wird also wieder eine Art historische Rueckschau. Und wie immer gilt, dass ich so einige der Dinge mittlerweile differenzierter sehe. Da es sich dieses Mal allerdings nicht um einen groesztenteils bereits ausformulierten Beitrag handelt, wird es im Weiteren vermutlich zu einem Mix alter und neuer Gedanken kommen.
Auch finde ich nach all den Jahren den Faden nicht wieder, weswegen die Uebergaenge zwischen den Gedanken mglw. etwas abrupt erscheinen.
Los geht’s.
Einstein schreibt ueber sich, dass er …
[…] ein von Affekten nationaler Natur freier Mensch […]
… ist. Ich finde insbesondere den Gebrauch des Wortes „Affekt“ sehr passend. Im Allgemeinen dazu bspw. auch hier.
Er meint dann weiter:
[d]er Weg zur internationalen Sicherheit führt über den bedingungslosen Verzicht der Staaten auf einen Teil ihrer Handlungsfreiheit beziehungsweise Souveränität […].
Dem schliesze ich mich an und moechte dabei auf den Erfolg Europas verweisen. Ich weisz, dass es nicht so einfach ist, aber auch durch den Verzicht auf Souveraenitaet ist Frankreich heute NICHT mehr „Erbfeind“ (von wem auch immer). Zumindest habe ich den Eindruck.
Er fragt dann Freud:
Gibt es eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung der Menschen so zu leiten, dass sie den Psychosen des Hasses und des Vernichtens gegenüber widerstandsfähiger werden?
Oder wie ich es ausdruecke: es ist meine Pflicht, mein Kind zu einem weltoffenen und toleranten Menschen zu erziehen!
Einstein sieht die Frage aber allgemeiner und spricht dann eine Sache an, die mich seit vielen Jahren bekuemmert und die sich durch viele historisch wichtige Werke zieht, die ich ueber die letzten Jahre las.
Ich denke dabei keineswegs nur an die sogenannten Ungebildeten.
Das finde ich extrem wichtig, und das sollte immer und immer wieder gesagt werden, denn …
[n]ach meinen Lebenserfahrungen ist es vielmehr die sogenannte >Intelligenz<, welche den verhängnisvollen Massensuggestionen am leichtesten unterliegt […].
Viktor Klemperer drueckt es aehnlich direkt an die sog. „Intelligenz“ gerichtet in seinen Tagebuechern aus der Nazizeit aus und in Solschenizyns „Der Archipel Gulag“ schwingt das auch immer irgendwie mit.
Freud antwortet dann:
Gewalt wird gebrochen durch Einigung […].
Aber damit sich dieser Übergang von der Gewalt zum neuen Recht vollziehe, muss […] [d]ie Einigung der Mehreren […] eine beständige, dauerhafte sein.
Dies scheint mir eines dieser Dinge zu sein, die total logisch sind, die aber ein Anderer aussprechen muss, bevor man da ueberhaupt dran denkt.
Er fuehrt dann weiter aus:
[e]s gibt noch eine andere Quelle der Rechtsänderung, die sich nur in friedlicher Weise äußert, das ist die kulturelle Wandlung der Mitglieder des Gemeinwesens […]
… um dann nach einer Weile zu folgendem Punkt zu kommen:
[w]ir haben gehört, was eine Gemeinschaft zusammenhält, sind zwei Dinge: der Zwang der Gewalt und die Gefühlsbindungen […].
Der antikorrelierte Zusammenhang der Beiden, wird nun wichtig.
Wenn die Bereitwilligkeit zum Krieg ein Ausfluss des Destruktionstriebes ist, so liegt es nahe, gegen sie den Gegenspieler dieses Triebes, den Eros, anzurufen. Alles, was Gefühlsbindungen unter den Menschen herstellt, muss dem Krieg entgegenwirken.
Natuerlich redet Freud von Eros, ich denke aber, dass Agape viel passender waere an dieser Stelle. Oder anders ausgedrueckt: Maennern die Kindern die Windeln wechseln (sei es als Vater oder Kindergaertner) schicken diese Kinder nicht in den Krieg.
Mir stellt sich da in diesem Zusammenhang die Frage, inwiefern Windelwechseln auch ein Machtverlust ist und, da Macht und Gewalt sich bedingen, dies dazu fuehrt, dass Maenner weniger bereitwillig sind, diese junge Menschen in den Tod zu schicken.
JA, ich habe dafuer keine Beweise, sondern nur die Beobachtungen an mir selbst. Aber ich bin ein unverbesserlicher optimistischer Realist, der fest daran glaubt, dass die Menschen gut sein wollen :) .
Freud schreibt auch:
Die andere Art von Gefühlsbindung ist die durch Identifizierung. Alles was bedeutsame Gemeinsamkeiten unter den Menschen herstellt, ruft solche Gemeingefühle, Identifizierungen, hervor.
Oder wie ich es ab und zu ausdruecke: ein _gesunder_ „Nationalstolz“ ist das beste Mittel gegen Nazis, denn wer möchte sein schönes Land schon Menschenhassern ueberlassen?
Da muss in mir so ein Rest an intuitivem Verstaendnis fuer solchen Dinge sein, die ich intellektuell (s.o.) nicht zu fassen bekomme.
Dann argumentiert er im Wesentlichen dafuer, eine „wohlwollende Oberschicht“ zu erziehen. Das hatte ich alles angestrichen, aber dies widerspricht zu sehr meinem anarchistischen Ich (im Kropotkinschen Sinne), welches sich seit dem Lesen dieses Briefwechsels entwickelte. Deswegen gehe ich nicht darauf ein an dieser Stelle.
Und um den Kreis zum Anfang des Artikels zu schlieszen, antwortet Freud dann endlich irgendwie auf Einsteins Frage mit einer recht konkreten Handlungsanweisung die auch heute noch gueltig ist:
Besser, man bemüht sich in jedem einzelnen Fall der Gefahr zur begegnen mit den Mitteln, die eben zur Hand sind. […]
Alles, was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg.
Ueber diese meine Pflicht schrieb ich bereits oben und um dies zu erkennen brauchte ich auch weder Freud noch Einstein. Mich duenkt das war einer der ersten bewussten Gedanken die ich hatte, als ich Papa wurde. Wobei da dann aber auch wieder die Gefuehlsbindung waere … also doch Freud :P .
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