Dies schrieb ich neulich. Oder vielmehr drueckte ich es dort, via einer Durchstreichung, mit einem kleinen Funken Hoffnung aus.
Nun habe ich aber gerade eben diesen Artikel gelesen. Der Artikel handelt darueber, wie bestimmte Gruppierungen auf der Klaviatur der Vorurteile spielen und damit erfolgreich sind. Erfolgreich deswegen, weil KEIN Sturm der Entruestung durch das dtsch. Volk geht. Weil die Leute immer noch zu diesen Aerzten gehen. Und irgendwie ist dieses zum Himmel schreiende Phaenomen der Totenstarre nicht mit meiner Vorstellung von modernen (und freien) Zeiten in Einklang zu bringen.
Aber ich will das nicht nur als Fingerzeig auf die Kirche verstanden haben. Denn wie schreibt Uena es in einem Kommentar:
[…] wie selbstverständlich [ist] Homosexualität in unserer Gesellschaft tatsächlich verankert und akzeptiert [?] Für den fortschrittlichen Geist angeblich kein Thema mehr […]. Diese Akzeptanz ist aber nur oberflächlich und äußert sich in vielen kleinen Details, die eine homosexuelle Lebensweise eben nicht als normal interpretieren. Beispielhaft sei hier genannt, dass bei Homosexuellen dieses Attribut in Medien sehr häufig als Adjektiv mit erwähnt wird, obwohl es mit dem eigentlichen Kontext nichts zu tun hat. Das gibt es bei Heterosexuellen nicht. Oder wie schnell das Schimpfwort “Schwuchtel” ausgesprochen wird. Normalität wird nicht als Beleidigung herangezogen, weil sie nicht greift. Die ganze Debatte über rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare zu heterosexuellen zeigt ebenso, wie unglaublich verquer die ganze Einstellung noch ist.
Ich selber brauchte ueber eine Dekade um genau dieses beschriebene Denken zu wandeln. Und das schaffte ich nur dank tatkraeftiger Unterstuetzung einer mir sehr wichtigen Person. Und selbst heute ertappe ich mich noch immer dabei, wie sich solche Vorurteilen in meinen Gedanken bilden. Wenn es mir denn dann aufaellt, versuche ich das natuerlich aktiv zu reflektieren. Ein zeitaufwendiger Prozess, da es auch so viele andere Bereiche gibt, wo das passiert (bspw. Frauen, Auslaender etc.)
Das Zitat spricht also den eigentliche Knackpunkt an. Denn wer kennt es nicht, wenn das Thema auf gleichgeschlechtliche Liebe (!!!!) kommt, sind wir zwar alle fuerchterlich aufgeklaert, aber mehr so in der Art und Weise „Na heutzutage sind wir ja so modern, da soll doch jeder machen was sie (oder er) will; solange die (!) mich damit in Ruhe lassen“.
Dies ist tatsaechlich (!) eine moderne und aufgeklaerte Haltung. Bewusst gegen die eigenen anerzogenen Reflexe und Instinkte anzutreten kann nicht anders als modern bezeichnet werden. Aber die Art und Weise wie wir das denken, ist doch arg bemueht. Eben durch aeuszere Umstaende auferzwungen. Auch daran ist nichts Schlimmes, denn so beginnen moderne Zeiten immer. Verantwortungsbewusste Fuehrungspersønlichkeiten sorgen dafuer, dass wir das Unnøtige, aber tief in der Gesellschaft verwurzelte, unserer Vergangenheit ablegen. Dies bspw. durch Gesetze oder durch deutliches Sichtbarmachen bestimmter Probleme. Deswegen schaffen wir, die Leser dieses weblogs, es eben auch sich tatsaechlich modern zu verhalten.
Dummerweise haben wir (diesmal ist damit ein etwas grøszerer Kreis moderner Menschen gemeint) es nicht geschafft, dass diese, dem 21.sten Jahrhundert wuerdigen, notwendigen Verhaltensaenderungen auch im Rest der Gesellschaft tatsaechlich ankommt. Und deswegen sind bspw. die oben erwaehnten Gruppierungen (aber nicht nur die) eben kraeftig dabei, all das Erreichte wieder zu annullieren. Weil sie wissen, dass sie damit auf laengere Sicht Erfolg haben werden. Und deswegen bin ich der Meinung, dass die dunklen Zeiten bereits begonnen haben. Denn in wahrhaft modernen Zeiten waere dies nicht møglich.
Und wie so oft ist der konkrete Aufhaenger dieses Artikels nur als Beispiel zu sehen. Neben der nicht-heterosexuellen Liebe gibt es viele andere Beispiele in diesem Themengebiet.
– Die bereits mehrfach erwaehnte Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau; warum werd ich komisch angeschaut, wenn ich sage, dass ich gern zu Hause bleiben und mich um’s Kind kuemmern will?
– Die ebenso bereits mehrfach in diesem weblog erwaehnte Einstellung zur Sexualitaet und zum ficken.
– Die Einstellung der Bevølkerung zu fundamentalen Buergerrechten, die nunmal auch fuer Nazis und schlimmere Verbrecher zu gelten haben (auch dies war bereits mehrfach ein Thema in diesem weblog).
– Die fundamentale Angst vor dem Fremden (die leider auch all zu oft das zugrundeliegende meiner eigenen Gedanken ist).
– Und nicht vergessen werden duerfen die Einstellungen gegenueber armen (oder ungebildeten) Menschen.
Dies sind natuerlich nur die wenigen Themen, die mir am Herzen liegen und mit denen ich mich ein wenig beschaeftigt habe.
Es ist natuerlich nicht zu vergessen, dass nach den Schwulen und Auslaendern immer straks die Intellektuellen (und deren Kinder) auf dem Scheiterhaufen (oder in neuerer Zeit im KZ) landeten. Dies ist natuerlich der aeuszerst egoistische Grund, warum ich immer und immer und immer wieder darueber schreibe (und spreche).
Auf lange Sicht, gibt es gluecklicherweise Hoffnung. Die Geschichte hat es naemlich immer wieder gezeigt, dass ueber kurz oder lang, die Menschen wirklich unmenschliche Systeme zu Fall bringen und fuer einen gewissen Zeitraum durch etwas Besseres ersetzen. Nur dummerweise leiden und sterben bis dahin und in diesem Prozess so viele Menschen. Und die dunklen Zeiten muessen ja auch erstmal durschritten werden.
Nur dummerweise hilft dies nicht uns (oder unseren Kindern), denn wir kommen ja gerade aus einem goldenen Zeitalter.
Und deswegen møchte ich mich an dieser Stelle nochmals wiederholen:
Lasst uns unsere Kinder so erziehen, dass sie in der Lage sind, die Fackel der Freiheit, die wir (kurzzeitig) erleben durften, weiter zu tragen, durch die Nacht.
Freiheit! Liebe Leute, sprecht darueber. Und in dunkler Vorahnung, darob der Zustaende in einigen Jahrzehnten (Jahren?) møchte ich dazu schreiben: solange ihr euch damit nicht in unnøtige Gefahr bringt.
Fuer die Menschen in vierhundert Jahren. Und damit dass Leiden all der Millionen bis dahin nicht umsonst ist.
Eine letzte Sache noch, welche mehr in die philosophische Richtung geht.
Es gibt aeuszersts wichtige Unterschiede zwischen Pessimismus und und Fatalismus.
All das was ich so schreibe ist mitnichten fatalistisch! Ich halte uns (ganz konkret uns, aber auch die Menschen als Ganzes) fuer allzeit und fundamental handlungsfaehig. Daraus resultieren eben auch die staendigen, impliziten Aufrufe: denkt mal drueber nach; versucht zu erkennen, wie diese erschreckenden Entwicklungen auch ganz konkret euch betreffen; und vor allem, versucht diesen Entwicklungen etwas entgegen zu setzen. Ich selber versuche ja auch mit (und nach) den mir gegeben Møglichkeiten zu handeln.
Man kønnte also sagen, dass zwar all das was ich schreibe recht pessimistisch ist, dass ich aber eine grundsaetzlich optimistische Lebens- und Handlungseinstellung habe.